Dienstag, 5. Januar 2010

Meet the MET
Ein schönes Crossover: die Übertragung ganzer Opernaufführungen live aus der Metropolitan Opera in New York, und zwar im Kino. In größeren Städten sowieso, aber auch in Orten wie Dettelbach am Main oder Bad Salzungen kann, wer sich grauhaarig genug oder einfach aufgelegt fühlt oder das Wort MET im Munde zu führen gnadenlos schick findet (Abkürzung! Insider! Flair!), mindestens akzeptable Inszenierungen, große Stimmen und erstklassige Dirigenten sehen und hören - schon die Idee, da mal live hineinzuschauen, wohin ja doch kaum einer kommt, ist appetitlich. So ein Abend hat natürlich operische Länge. Vier Stunden mit zwei Pausen, die wahlweise mit stilechtem Flanieren und Seccotrinken oder aber auch mit Sitzenbleiben und Betrachten der dann übertragenen Backstagebilder verbracht werden können, sind einzukalkulieren: es wird wie immer bei Opern etwas geboten für's Geld.

Tosca und Turandot sind leiderleider schon vorbei, die nächste Gelegenheit für einen je nach persönlicher Disposition verwegenen oder gediegenen Kinoabend bietet sich am 16. Januar 2010 um 19 Uhr mit Bizets Carmen. Es folgen in dieser Spielzeit noch Simon Boccanegra, Hamlet und Armida, alle sicherlich in Originalsprache, also französisch bzw. italienisch, aber Oper versteht man sowieso oder sowieso nicht (das kann man dann hinterher entscheiden), und was heißt schon verstehen.

Alle Termine und Kinos unter www.METimKino.de.

 
Machen Sie mir bitte mal eine Empfehlung, ich kenn mich doch nicht aus.

... anzeigen  
 
Für Sie: Carmen. Temperament, Bedingungslosigkeit, Verfall, Schuld, Berechnung, Hingabe. Musik und Tanz. Rauchen, Trinken, Weiber und Männer. Alles. Sogar Rindvieh (Sie verzeihen den Kalauer). Schöne Story, tolle Musik.

Simon Boccanegra ist ein wirres Ding mit einem verschwundenen Baby, einem Korsar, der Doge von Genua wird, einem als Mönch verkleideten Patrizier, mit Fluch, einem Vater-Tochter-Drama, Rache, Gift, Tod... und mit Verdis Musik, das spricht natürlich absolut dafür. Verdi ist immer großartig und geht direkt ins Herz, ohne den Kopf ungestreift zu lassen. Und: wer weiß, wie lange Placido Domingo noch singen wird, hier können Sie ihn hören, und es kommt niemand nach, der so ist wie er. Hm hm, schwierig: Platz 2, knapp.

Den Hamlet als Oper kenne ich nicht - der Stoff dürfte Ihnen gefallen, die Musik ist von einem nicht so bekannten Franzosen, aus der Romantik. Sicherlich ansprechend und bewegend, auch wenn ich persönlich die großen Stoffe in diesem französisch aufgeblasenen Gewand nicht sehen mag, aber ich spreche da jetzt eher über den Faust, den es von einem anderen Franzosen vertont gibt (von Gounod, und er hat das Ding mal locker "Margarethe" genannt, wie doof ist das denn) - nö. Da schauen Sie sich den Hamlet mal auf der Bühne an, das ist besser und genug.

Rossini ist immer blanker Zuckerguss, ganz lecker, wenn man süß mag, aber hier mit einer Story, die nicht wirklich interessiert, mich jedenfalls nicht, ich weiß nicht: Kreuzritter, Zauberin, belagertes Jerusalem. Doppelnö. Wenn Sie irgendwann die Cenerentola (Aschenputtel, aber zum Totlachen komisch, wenn der Regisseur Lust hatte, ordentlich zu arbeiten) sehen können, oder sonst eine waschechte Komödie, den berühmten "Barbier von Sevilla" zum Beispiel, das ist feinstes Boulevard, tja, aber ich würde Sie da nicht wirklich vergnügt vermuten. Denke ich.

Carmen.

... anzeigen  
 
Oh, hab vielen Dank. Das wird also meine erste Oper. Carmen. Sehr schön.
Vielen Dank, ich werde berichten!

... anzeigen  
 
Oh ja, bitte! Hab Spaß! (Ich bin sehr neidvoll.)

... anzeigen