Freitag, 25. Januar 2008

Selbst
Am Abend solltest du dann hinausgehen, zur ausgewählten Stätte, und das Grab ausheben. Wenn es regnet, umso besser, denn der Regen wird die Tränen abwaschen, die dabei fließen werden. Die Grasnarbe sauber abstechen (ein altes Messer mitnehmen!) und etwas abseits ablegen, und dann am eindringenden Spaten die eigenen Kräfte spüren, die ja noch vorhanden sind. Du wirst dich wundern, wie groß die Erdhaufen werden, die da geschaufelt werden, und wie wohl es tut, auf dem Bauch liegend zu graben, bis es tiefer nicht mehr geht, denn das ist heute die Richtung: nach unten, für ihn. Keine Sorge, du fällst nicht hinein, denn deins ist oben. Es wird deiner Trauer einen Weg zeigen, dieses Kämpfen mit dem Werkzeug, nach diesem Tag, an dem viel gesessen wurde, denn es dauert ein paar Stunden, bis der Tod wirklich herantritt und dann noch eine Stunde, bis der Körper kühl wird (und so lange hast du ihn im Arm gehalten, hast ihn gespürt, nicht schwerer und nicht leichter werdend, er und du), nach diesem Tag, der lang ersehnt und doch mit Furcht erwartet wurde. Erde und Regen wirst du annehmen, wie er bald auch, und der Tag wird dir dabei noch einmal durch die Glieder und die Seele gehen. Der Geruch, das vergehende Atmen, der Schrecken des Lazarusphänomens, die große Stille, der Eintritt des Todes in eure Zimmer und sein leises, lächelndes Wiederhinaustreten. Du wirst gut schlafen können in dieser Nacht, nach absoluter Stille und großer körperlicher Arbeit, und der Schlaf wird dich mit ihm verbinden, der auch schläft in deinem Haus. Zu Sonnenaufgang sollst du ihn hinunterlegen, an den Platz, den du ihm geschaffen hast, und der doch nicht seiner bleiben wird. Sieh nicht zu, wie andere es tun - du selbst sollst ihn betten. Und dann nicht ein Schäufelchen Sand und ein Blümchen, sondern fülle das Grab auf, ganz und gar, und pflanze auch das Gras wieder an seine Stelle. Die Sonne wird ganz aufgegangen sein und du kannst hineingehen. Ein bescheidenes Frühstück stehe bereit mit warmem Getränk und Blumen auf dem Tisch. Und dies wird ein guter Tag sein.

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