Mittwoch, 5. August 2009

Nein, natürlich nicht. Dieser unsinnige Drang, die Dinge zu (v)erklären, um sie ertragen zu können. Sei still, Romantik.

 
Sie hat nicht danach gerufen. «Die Romantiker», meinte Jochen Gerz einmal, «waren total getrennt von ihrer Liebe, ihrer Sehnsucht, ihrem Verlangen nach Ursprung oder Zukunft, [...] und ohne zu klagen und zu lamentieren und ohne sich zu verbohémisieren haben sie das ausgehalten.»

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Gut, dann bin ich sowieso keiner. (Aber ist in Ihrem Zitat der Begriff des "Romantikers" nicht eher epochal gemeint? Eher denn als konzeptionelle Abgrenzung eines Subjekts von der Nüchternheit, wie der Begriff vulgo (und auch in diesem Posting) verwendet wird?)

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Sicherlich ist er epochal gemeint. Für mich heißt das dennoch nicht, daß diese Definition (oder eine ähnliche) damit ungültig geworden ist. Ich habe ohnehin ziemliche Probleme mit der heutigen Verwendung des Begriffs, eben weil sie in der Regel (aus Unwissenheit) die eigentliche Bedeutung ausklammert. Deshalb habe ich auch (so) reagiert.

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Welchen Terminus schlagen Sie also vor für die Art von Romantik, die (aus Unwissenheit oder auch nur aus dem Wunsch heraus, sich als Kind der heutigen Zeit für Kinder der heutigen Zeit verständlich auszudrücken, oder aus Faulheit) hier gemeint war und die Sie ja auch richtig verstanden hatten?

Ich denke, wir haben es hier mit einer ähnlichen, wenn auch nicht ganz so dramatischen Falschverwendung eines ursprünglich eine Epoche in ihrer Eigenart beschreibenden Begriffs zu tun, wie sie auch das Wort "antik" erlebt. Aber wenn Sie ein Schränkchen auf dem Markt verhökern wollen, dann dürfen und müssen Sie es vielleicht so bezeichnen, auch wenn es aus dem Fin du siècle stammt. Ich denke, die gebildete Leser/Käuferschaft weiß sehr wohl zu unterscheiden, was "antik" (Fußnägel hoch) und was "antik" (Herzschlag hoch) ist, respektive "romantisch": womit hier gemeint ist, dass eine wie ich mit dem Anjaulen des Mondes niemals zufrieden sein kann, und doch tut sie es, nämlich durchaus mit dem Wunsch, dass er runterkommt.

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Ich hatte Sie offensichtlich nicht richtig verstanden. Gerade weil Sie ein gebildeter Mensch sind, habe ich überhaupt und genau so reagiert. Denn ich habe keineswegs damit gerechnet, daß Sie das Anjaulen des Mondes oder gar das Glas Rotwein bei Kerzenlicht meinten. Dann wäre diese Art bzw. überhaupt ein Kommentar meinerseits überflüssig gewesen, ich hätte, wie sonst bei Ihnen, gelesen und still vor mich hingenickt oder auch nicht.

Und oder aber oder beides: Weshalb sollen «Kinder der heutigen Zeit» nicht lernen, mit den jeweiligen Begriffen richtig umzugehen? Brächte das nicht – für alle – Vorteile mit sich und würde Mißverständnisse vermeiden? Ich erlebe es oft genug, daß die eine oder andere Begriffserklärung oder auch -korrektur dankbar entgegengenommen wird. Es sind nicht eben wenige, die häufig querwort durch die Sprache latschen. Sie tun das in der Regel, weil niemand es sie gelehrt hat, weil für solche Nebensächlichkeiten keine Zeit (mehr) ist; bei dem Bildungssystem, den -systemen geht's wohl nicht anders. Und so wird aus einem ehemaligen Wortschatz denn auch ein von Menschen wie mir beklagtes Resthäuflein.

Dazu gäbe es viel mehr zu sagen. Ich werde das möglicherweise bei Gelegenheit mal bei mir drüben tun. Da kann ich endlos Spalten füllen.

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Ach sehen Sie, wie wir uns selbst mit sorgfältig gewählten Worten nicht wirklich verständigen können... Horror, würde so manches Kind dieser Zeit sagen. (Und das Anjaulen des Mondes dürfen Sie physisch, aber auch als Bild für den Umgang mit Idealen ansehen).

Ich muss Ihnen sagen, dass ich regelmäßig ein Vergnügen dabei habe, die Worte in dem Sinne, wie meine bescheidene Bildung ihn mir in einem Schatzkästlein mitgegeben hat, zu verwenden und sie daneben schillern zu lassen in der Art, wie unsere Zeit sie verwendet - es kommen die schönsten Interferenzen zu Tage. Und was Sie beklagen, nämlich dass für die Bildung unserer Kinder einfach nicht viel Zeit ist, oft keine Zeit mehr, um in die Falten der vielen Mäntel zu schlüpfen, die uns schon umgeben und die wir alle nur kennen dank unserer Sprache, und darin ausgiebig zu schnuppern, das bedaure ich auch. Ein Aber auch hier: Was ist der "richtige" Umgang mit den Begriffen? Muss es der sein, der vor 200 Jahren richtig und gängig war? Ist es nicht eine Binsenweisheit, dass gerade die den immateriellen Dingen zugeordneten Wörter einem ständigen Bedeutungswandel unterliegen (Beispiel: "Sensation")? Der lässt sich nicht aufhalten, und was ist daran auch schlimm. Zeit heißt doch immer: Vergehen.

Darauf ein Glas Rotwein, wenn der Mond mal wieder scheint.

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An dem Punkt des lustvoll-freien Umgangs mit Sprache will ich ja gerne rechtgeben und auch zustimmen. Ich selbst widersetze mich ja auch ganz gerne den Sprachgesetzgebern, oft aus Spaß am freien Umgang, aber auch nicht selten aus Gründen der Schludrigkeit. Und so etwas wie ein Sprachpolizist will ich zuallerletzt sein. Mir wäre im konkreten Fall vorzuwerfen, bei Ihrer Äußerung nicht ausreichend nachgedacht zu haben. So gesehen bin ich Ihrer fröhlichen Fliegenfängerei ja auch prompt auf den Leim geflogen.

Ein paar Wörtchen mehr hier

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