Montag, 24. Mai 2010

Vom Teilen und Geben
Mit ihrem "dann und nur dann" hat die Mathematik sehr viel Sicherheit gegeben, und das sehr früh. Klarer kann ein Umstand und seine Bedingungen nicht beschrieben werden, nichts schwimmt mehr um seine Existenz, um den Umstand als Punkt. Auch kam das "gegeben sei". "Gegeben sei", ein Zauberwort! Alles konnte man erdenken, alles konnte man "geben", Regentonnen, Rechtecke, Mengen, Großes und Kleines, und es war ein Leichtes, aus dem, was man mit "gegeben sei" in die Welt holte, etwas anderes hervorzuzaubern, einfach so mit schnipp, es wohnte ihm von ganz alleine inne, zum Beispiel für wie viele Erdbeerpflanzen der Regen reichen würde oder wie lange es dauern würde, für einen Zaun um das Recheck herum zu sparen. Muster der Veränderung wurden offenbar, ebenso Gründe für lange gefühlte Verwandtschaften zwischen den Zahlen und einfache Mittel für ihre Explosion oder Implosion. Das Komma, was für ein Werkzeug, was für eine Waffe, wie rettungslos der, der damit nicht umgehen kann. Der Bruchstrich, was für ein sagenhaft einfaches Zeichen mit märchenhaften Fähigkeiten. Sagen zu können, wie viele Fenster ein Hochhaus hat, obwohl man nur einige gezählt hat, beliebige Genauigkeit und sogar Aussagen über Tendenzen und Größen in der Nähe der Unendlichkeit - so etwas erlaubt die Mathematik und ist dabei sehr treu, hat man sie erst einmal angelockt und domestiziert.

Jedoch: Sie kann zwar über Schönheit aussagen, aber sie kann sie nicht herstellen. Sie ist geschwätzig, unnötiges Zeug gibt sie unaufgefordert an, denn alles klebt zusammen, alles hat ein "weil" und ein "daraus folgt", nichts ist einfach wie es ist. Sie weiß sehr viel, aber sie kann nichts (anders als die Musik, zum Beispiel). Sie kann nichts. Sie kann nichts ändern und sie kann nichts Originäres. Sie kann ihre Pfade nicht verlassen. Sie spricht nur über die Dinge, nicht aber zu den Dingen und nicht einmal zu denjenigen, die sie mögen. Deshalb ist es wohl gut, sich ihr nicht restlos in die Arme geworfen zu haben.

 
Wie schön so ein "q.e.d." sein konnte, wenn die Annahmen getroffen waren ("Sei x ....") und die Argumente einrasteten. Aber es lauerte eben auch immer der Wahnsinn hinter der nächsten Ecke, so wie bei Schachspielern. Ich entwand mich diesen Armen dann doch lieber nach den Kegelschnitten.

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Die Sehnsucht nach einer verlässlichen Ordnung.
Das Kranke jeder Ausschließlichkeit.
Gut beraten sein, mit Brillen achtsam umzugehen.
Und dass Hingabe glücklich macht.

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Ach sehn Sie der Mathematik doch ihre Zeugungsschwäche nach! Sie ist nicht dazu da. Ein Omnibuschauffeur ist auch kein Städteplaner. Er befährt die Strassen nach vorgegebenem Plan. Neue zu entwerfen fiele ihm nicht ein.

Man kann der Mathematik schlecht verübeln, dass sie nix schafft. Sie bezeichnet ja nichts, ausser ihrer eigenen Bedeutung. Nur G'tt könnte das, eine Creatio ex nihilo. Man kann wagen, meine ich, sich jemandem restlos in die Arme zu werfen, auch wenn sich dann heraus stellt, dass es gar kein G'tt ist.

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Schön ist das, sehr schön, was Sie da alles sagen. Vielen Dank!

Nein, verübeln wäre doch sehr unangemessen, denn sie ist ein hervorragender Chauffeur, die Mathematik. Es ging mir nur darum, dass sie nicht spricht, um die sozusagen natürliche, unüberwindliche Distanz, und darum, dass die Schönheit nicht ihre Domäne ist. (Dass man mit dem nicht so schönen Fahrer nicht sprechen soll, das ist ja nicht umsonst geboten.)

Der Tag, um sich G'tt in die Arme zu werfen, der kommt ja schon noch, sowieso. Daher: Haut und Geruch und Wärme und Worte und Taten, soviel wie möglich bis dahin.

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