Samstag, 29. Oktober 2011

Mein kleiner Bruder
Als er vier oder fünf war, versprach er mir einen Mercedes (einen schnellen "und mit einem Stern", dabei hielt er immer ein kleines Cabrio hoch aus seiner Matchboxautokiste) und einen Schäferhund, die er mir beide kaufen würde, wenn er groß wäre. Was braucht eine Frau zum Glücklichsein? Ein schnelles Auto und einen treuen Freund. Früh verstand er die Frauen, soweit ein Mann die Frauen eben verstehen kann. Er war ein guter Puppenvater für meine Puppen, aber für seine auch, er hielt geduldig den Hüpfgummi um die Knöchel und die Kniekehlen geschlungen, nachdem er, der kleine Bruder eines der großen wetteifernden Mädchen, natürlich früh ausgeschieden war beim Halb-halb-Mitte-Grätsche-halb-halb-raus, er hatte größere Füße als die Damen, damals schon. Als wir im großen Haus dann jeder ein eigenes Zimmer beziehen konnten, da war es nicht zum Aushalten, dass er hinter der Wand schlief, für ihn nicht und für mich nicht, und so zog er wieder ein ins gemeinsame Kinderzimmer, bis die Adoleszenz die Geschmäcker und die Rhythmen trennte.

Die Weiber wurden wichtig und das Bier, aber er trat mehrere Freundinnen ab an diejenigen, die das Bier mit ihm tranken, und sie heirateten alle, ihm aber waren die Weiber zu sehr blöde Hühner, alle, immerhin waren die Titten brauchbar. Den Frauen hinterließ er Kummer und Sorge (mehrere riefen bei mir an wenn er sich nach zweidrei Nächten tot stellte, ich kannte keine davon), und er winkte bitter und mit verächtlicher Geste ab und ließ mich ausrichten, er sei schwul.

Am nächsten Samstag heiratet er meine wunderbare Schwägerin. Sie ist kein Huhn, sondern eine Löwin, mit Kraft und Ruhe und Geduld, eine schöne junge Löwin, die weiß, was wichtig ist und zurecht kommt in der Wüste. Beides hat sie: Titten und Geist, und für sie hat er sich seinem großen Ungeheuer gestellt, nicht indem er dagegen kämpfte, sondern indem er es gezähmt hat. Jeden Tag zwingt er sein Ungeheuer unter den Tisch und sperrt es aus in der Nacht, es wird ihn nicht verlassen, aber er nennt es beim Namen und nur so lässt es sich herab und legt sich neben ihn. Für sie hat er es dahin gebracht, denn er weiß, dass er den Augenstern, der sie ihrem Vater wie jede kluge Tochter ihrem Vater ist, niemals hätte gewinnen können, hätte er das Ungeheuer weiter wirtschaften lassen. Dieser Vater gibt ihm seine einzige geliebte Tochter gern, er ist sicher, dass wer sein Ungeheuer so zähmen kann wie mein kleiner Bruder, der kann auch einer klugen Frau die Ungeheuer vom Leib halten.

Er selbst ist der schnelle Mercedes mit Stern, und ein treuer Freund.

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