Montag, 2. Januar 2012

Kiel
Ach Jugendherberge. Etagenbetten, Klo auf dem Flur, Gemeinschaftswaschbecken. Schmucklose Dusche. Tablett mit einem aus schaumigem lauwarmem Wasser gefischten Labberlappen abwischen, abtrocknen und auf den Stapel zurückstellen. Kalte Fußböden, kalte Milch. Flitzende Kindergartenkinder mit Filzhausschuhen. Engagierte Jungeltern, Gruppenfreizeitjunkies mit Halstuch, DJH for ever, es gibt doch nichts Schöneres, wer kommt mit, ich lese was vor. Schweigsame Einzelgänger mit Ei im Bart. Pfefferminztee nicht in Metallkannen. Der Herbergsvater erklärt versiert den auf dem Tresen aufgeklebten Stadtplan. Nebel und Nieselregen. Großfähren, Möwen auf Geländer, spiegelnde Lichter, das Wohnen am Wasser, ganz normal. Toter Mittagsschlaf in der neonflackerig beleuchteten Betthöhle (unten schlafen ist viel schöner, deshalb). Ins Kissen weinen. Brettspiele und Knobelspiele auf blanken Holztischen. Nachmittags kein Kaffee zu bekommen. Abends Sprotten und Schweinelende und Schokopudding, Kartoffelsalat, Aal, Kasseler und Kraut mit Speck. Ein deutschstämmiger Comedian aus Great Britain, und Lachtränen, Lachtränen. Während draußen auf der Dachterrasse geprostet und geküsst wird und die Jungen das Feuerwerk im Nebel fotografieren, läuft die Anlage im Saal weiter. Sachter Tanz mit einem Teller Krapfen in der Hand zu unbekannter Musik, leiser Musik, und dann kommen sie alle wieder und bringen die kalte Luft von draußen mit und den Nebel, in dem das Jahr noch liegt. Teller ablecken. Den letzten Tropfen zum ersten machen aus einem Glas, das nichts verrät.

 
Auch wenn Sie mich doof finden, das Den letzten Tropfen zum ersten machen aus einem Glas, das nichts verrät. lässt mich ein bisschen dahin schmelzen.

Ein gutes Jahr wünsche ich Ihnen!

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Danke, ebenso!

Doof? Nö. Schmelzen Sie ruhig.

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Irgendwann fiel mir auf, dass ich den DJH-Beitrag mit derselben Haltung entrichtete wie andere den fürs Fitness-Studio: Wenn ich schon nicht hingehe, soll ich wenigstens dafür bluten. Denn öfter als real war ich im Geiste bei Etagenbett und Früchtetee, immerhin aber auch einige Male an der See, wenn auch nie zum Jahreswechsel. Schön, so etwas mit Kindern zu machen! Ich gehe mir gleich noch eine Packung Scheibengraubrot kaufen und wünsche auch fürs neue Jahr immer eine Handbreit Wasser unter besagtem.

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Ich glaube, so wie Sie es beschreiben bin ich oft im Geiste im Schwimmbad. Das reicht. Wasser gibt Auftrieb, da haben Sie recht, und ich wünsche Ihnen dasselbe!

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