Sonntag, 19. Februar 2012

Tag des Herrn
Kellerdecke aus Schalbeton streichen ist etwas ganz wunderbares. Die Farbe rollt sich zufrieden in die grobe Maserung längst gestorbener Bäume hinein, wie pickelige Höcker obskurer Ammoniten stehen die Abdrücke der groben Zimmernägel hervor, auch sie aus Beton. An den Brettern entlang kann man streichen, immer zwei nebeneinander (2-Bretter-Takt) oder auch vier (4-Bretter-Takt), der zweite Anstrich geht dann quer an den Astlöchern orientiert. Vorher müssen natürlich die staub- und spinnwebendurchsetzten, schlampig verklebten Styroporquadrate abgeknöpft werden. Darunter je ein Klecks von dreierlei Klebern oder Mörteln oder sonstiger Schmatze. Die grauen Kleckse bleiben zunächst an der Decke, fein styroporig strukturiert jeder, und der erste Gedanke, alles in verschiedenen Blaugrüns zu streichen und sich wie im Aquarium von innen zu fühlen, gefällt sehr. Wird aber verworfen. Wir sind hier doch nicht in einer Kita, sondern in einem ernstzunehmenden Arbeitskeller. Mit Hämmerchen und Spachtelchen gehören die Kleckse sauber abgesprengt, es dauert nur etwas mehr als einen Nachmittag, der Rest wird dann nach dem Abendessen erledigt.
Rolle über dem Kopf, ein Liedchen hinter den verschlossenen Lippen (Farbe schmeckt komisch), da plötzlich: Dingdong.

Ich: Oh. Hallo. Komm rein. Wird das nicht schön? Schalbretter sind toll! Wie Holz! Die Nägel sind noch zu sehen, und ich mache alles weiß!

Er: Habe ich dir geboten, Menschenkind, am Sonntag mit Matsch und Dreck zu spielen und auf verspritzten Leitern lustige Hütchen zu tragen?

Ich: Du hast geboten, dabei keinen Lärm zu machen, sagen die Nachbarn, also die Idee des Nachbarn. Und du hast mich nach deinem Bilde geschaffen, dachte ich. Ich frage mich immer, was du am Sonntag so renovierst.

Er: Ey, sag das bloß nicht weiter.

Ich: Nein. Wenn du nicht weitersagst, dass ich unzufrieden mit meinem Helfer bin. Warum ist es so, dass alte Männer, die von sich behaupten, früher mal so was wie ein Maschinenbauer gewesen zu sein, im Alter so einen Scheiß zusammenrenovieren? Dass man alles, was einem wichtig ist, nacharbeiten muss, sofern es möglich ist und nicht alles beim ersten Angehen verdorben? Warum waschen die ihre, also meine Pinsel nicht sauber aus und laufen mit staubigen Schuhen durchs ganze Haus?

Er: Ihr Menschenkinder fragt zu viel, warum. Du bist ja zu Glück eines, das nicht "wofür ist es gut" fragt. Das ist die dümmste Frage. "Wozu soll es gut sein, wenn mich und meine Blagen die Zecken beißen?" Den ganzen Sommer höre ich mir das an! Ich habe euch den Himmel gemacht, damit ihr irgendwann kommen könnt und sehen könnt, dass es gut IST. Warum, geht euch nichts an. Betriebsgeheimnis.

Ich: Ich freu mich schon darauf. Hier kann ich das nicht immer so erkennen.

Er: Ja, ich freu mich auch wenn du kommst, aber deine Decke ist noch nicht fertig, unter anderem. - Ich muss weiter.

Ich: Moment bitte noch. Wie spielen die Roten heute Nachmittag?

Er: (lacht) Lass dich überraschen.

Ich: Okay, hast ja recht. Danke für's Gespräch, Alter. Und grüß Oma.

 
Schalsichtbeton, sehr schön! Und die Idee mit den blaugrün styroporstruktierten Schmatzeklecksen klingt gar nicht schlecht.

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Ohne Tauchschein hat alles keinen Sinn.

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