Sonntag, 16. August 2009
An Venus
Sieh, Stern. Die Rosen treiben ihre zweite Blüte an langen Stielen. Das Gras fängt schon die Feuchtigkeit der Nacht, und schwarze Schatten spielen mit der Liebe Flugzeug. Das Pennisetum streckt seine fiederigen jungen Blüten aus, nach dir, der Treuen, die Wünsche dieser Nacht mögen irre daran werden. Zwei Gläser auf dem Tisch, nur eines halb gefüllt aus dem Krüglein Traums, das niemals leer zu werden scheint. So leicht verschüttet sich das Wenige, und wie das Licht ruhig, wie die Augen glänzend halten? Sag, Stern.

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Samstag, 15. August 2009
Flow ("Mikael")
Ü-Ei für Erwachsene: 12 Schrankverbinder, 4 Langschrauben, 2 x 8 Holzdübel, 8 Kunststoffbolzen, 30 Kurzschrauben, 3 Griffe, 6 Metallschrauben, 1 Inbuswerkzeug, 16 Gewindeschrauben, 4 Rollen mit Beschlägen, Schienen und Holzzuschnitt ohne Zahl, Anleitung mit 19 Seiten. Kurzer dankbar grüßender Gedanke an Björn und Benny, die ihre Säge- und Bohrautomaten so überaus präzise justiert haben, und an Anni-Frid und Agnetha, die alles in zartes SeidenPapier und stabile Folientütchen verpackt haben. Alles leichtestens bekeidet einzeln mit dem Schraubenzieher verschraubt, locker und auf Lücke angesetzt, erst im zweiten Gang festgezogen, und welch entzückender Moment immer, wenn beim Verdrehen der Schrankverbinderschraube sich der letzte Spalt lichtdicht schließt. Über allem der Geruch von frisch geschlagenem Christbaum. Die dritte Schublade baut sich auswendig, und alle schließen am Ende mit "huuhh-klock". Schade, schon vorbei.

Mittwoch, 12. August 2009
Gerausch
Das Licht, der Phlox. Quellen, Fragen, und wie sie sich stellen im Säuseln des Tages, des versummten. Tränen sickern in den Ritzen der Rinde, der harten, sammeln sich spiegelnd in den Höhlen all der Abende. Falten, gehobene Säume, verdurstete Hummeln, Wasser und Zeichen, und was sich nun hebt und senkt, gewärmt und beschwert: ungegrüßt sollst du nicht schlafen gehn.

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Montag, 10. August 2009
Eine Luft wieder
Auch, ein solches Wetter zu mögen, das schwüle, drückende, das sich zwischen Kragen und Hals niederlässt, macht großen Abstand, macht ihn noch größer. Macht, nichts mehr zu sagen. Den Kragen spüren, den eigenen, den passenden.

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Sonntag, 9. August 2009
Cöln, 1875
  

Vorgestern ist die Familienbibel an mich übergegangen. Sie gehörte meiner Urgroßmutter, die darin oft und gern gelesen hat. Sie hat in das Buch eine einzige handschriftliche Bemerkung gemacht, wir wissen nicht, welche, ob eine giftige oder eine dankbare, jedenfalls hat mein Urgroßvater ihr die Seite mit ins Grab gegeben. Dies ist die einzige Beschädigung und das alleinige Erkennungszeichen des Buches.

Das Buch hat die handliche Größe eines heutigen Taschenbuchs. Es ist in geprägtes Leder gebunden und hat 778 Seiten im Alten Testament und 265 Seiten im Neuen Testament. Der Goldschnitt ist noch schön erhalten, zeigt aber Spuren der Benutzung. Die Vorsatzblätter sind aus einem glänzenden und mit Rillen strukturierten Moirépapier gefertigt. Gedruckt wurde wohl mit Bleilettern, denn die Buchstaben sind spürbar erhaben auch jeweils auf der Rückseite der Blätter zu erfühlen. Gedruckt für die Agentur der britischen und ausländischen Bibelgesellschaft. Auf der letzten Seite steht Druck von Wilh. Hassel in Cöln.

Die Bibel steht nun in meinem Regal, neben dem Gesangbuch meines Großvaters.

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