Sonntag, 7. März 2010
Lux aeterna
Ich komme als erste rein. Außer ein paar Messeleuten, die stumm und mit Interesse sich wirklich wie Gäste umsehen, ist keiner da, und nach ein paar Minuten stillsitzen und auf die lila Antependien an Altar und Lesepult schauen (zweierlei Lila, warum eigentlich, wascht ihr die verschieden oft und warum das dann wieder), ein paar guten Minuten ohne Sinn und ohne Verstand, kommt der Aufnahmemensch mit seinem Köfferchen und seine Umarmung ist wie immer dünn und fest zugleich. Und dann kommen sie und rascheln mit ihren Kleidersäcken und mit ihrem Samstagsleben, das hier zusammenkommt und bald, in drei Stunden, Musik werden wird. Das Frieren geht schon beim Stellen los, noch sind die Sohlen dick, die Mützen wollen und die Finger voll Gefühl. Später werden auch die in den kurzen Sitzpausen umgehängten Mäntel und die dicke Strumpfhose in den dünnen Schühchen nichts mehr nutzen, da kann der Organist einheizen in seine Subbässe wie er will, das Schnattern ist unter uns. Dass Erfrieren etwas mit Delirium zu tun hat, das merkt man, wenn man sich plötzlich fünf Takte weiter wiederfindet und man weiß nicht wie man da hingekommen ist, und wer hat umgeblättert? Es müssen die toten Finger gewesen sein. Ein Blick in das Gesicht des Kritikers und die Kritik am Montag wird eine gute sein, so sicher wie das vierfache Alt-Ais im Ligeti richtig war, einfach aus der Luft gegriffen, da könnt ihr Tenöre vorher rumeiern wie ihr wollt. Hinterher machen sie 12 Flaschen Secco leer und futtern speckgewickelte Datteln und Kartoffelchips wie verhungert. Chor ist, wenn einer abspült (ich) und drei abtrocknen (1 Tenor, 1 Bass, 1 Dirigent), und da kommen dann auch die Finger wieder. Beim Abschließen drehe ich mich noch einmal um. Alles schön. Wie viel in dieser Kirche schon gesungen, getrunken und geküsst wurde, das weiß nur der Herr, denn der wohnt hier.

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Donnerstag, 4. März 2010
Intermezzo
Ein Stück, nicht schnell und nicht langsam, kein schweres Stück, aber ein leichtes auch nicht. Sehr sparsam zeigt es seine Vorräte, die für lange reichen werden: das Intermezzo op. 116 Nr. 5 von Johannes Brahms. Schneeglöckchen, zierliche grauweiße Vögelchen und rieselnder Hagel, draußen wie drinnen, die Sonne mischt sich zwischen die Finger, überraschend.
Andante con grazia ed intimissimo sentimento. Sechs Achtel passen in eine Hand, und es fehlt nichts zum Ganzen. Der Tag steht in e-moll.

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Mittwoch, 3. März 2010
Tête-à-tête
Sorgt euch. Sagt der Sonne im Arsch danke und adieu, für einen Tag. Lasst eure Schatten sehen, in den Falten, hinterm Ohr, unter der Frisur. Weint, wenn ihr könnt.

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Dienstag, 2. März 2010
Es würde kein Zögern geben.

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Montag, 22. Februar 2010
Tag 0
Am siebten Tag wurde ich entlassen. Sie konnten mein Telefon nicht abrechnen, denn der Computer kannte das Datum nicht. Und so kam es, dass ich mit dem Y2K-Problem doch noch zu tun bekam.

Am dritten Tag kam der Oberarzt zur Visite. Dr. Zett, stellte er sich vor. Ich kenne Sie, sagte ich, Sie waren doch zum Schluss dabei und haben sich mir da schon vorgestellt. Das haben Sie mitbekommen, sagte er, das habe ich nicht gedacht.

Am Tag danach schrieb ich einen Brief, im Bett. Sie ist gesund und wunderschön, schrieb ich. Er hat den Brief sofort weggeworfen, erzählte man mir später.

Am späten Abend ließ ich ihn anrufen. Er war wegen einer Messe zufällig in der Stadt, und als er kam, hatte er schon einen Sekt in der Krone. Es war Nacht, und er saß an meinem Bett und wir haben diesen Tag zu unseren großen Geschwistertagen dazugezählt.

Kaiserschnitt, fragte ich, als ich die Anästhesistin wieder neben mir sah. Nein, sagte sie. Heute mittag, als das mit der Peridural nicht klappte, da habe ich Ihnen versprochen, dass ich bei Ihnen bin, wenn Ihr Kind kommt, und hier bin ich. Sie hat meine Hand nicht mehr losgelassen.

Selten habe er sich so gut unterhalten, da gehe so eine Braunüle glatt von allein rein, lachte er, als ich mich für die angenehmste Stecherei meines Lebens bei ihm bedankte.

Ich parkte mein Auto in einer etwas entfernten Nebenstraße, damit es lange da stehen bleiben könnte ohne Parkschein, denn ich wusste nicht, wie es weitergehen würde danach, und wann ich wieder an das Auto würde denken können.

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