Montag, 16. Juli 2012

Hier kocht der Chef
"ESM-Chef", "Eurogruppen-Chef", "FIFA-Chef", "CSU-Chef" - so flapsig wird genannt, wer irgendwie vorne oder obendran steht (hier stellvertretend für viele Für-die-doofen-Leser-reichts-Bezeichnungen die heutigen Schlagzeilen-Chefs auf tagesschau.de). Braucht ja keiner zu wissen, was die wirklich machen, Hauptsache Chef. Was ist das, ein Chef?

Bei nur ganz kurzer und sicherlich an einem ordentlichen journalistischen Standard gemessen schlampigen Recherche auf dem Chef-Lexikon (wer kennt den Begriff noch?) Wikipedia lässt sich nachlesen, dass der ESM (in den Medien "Euro-Rettungsschirm" genannt, weil die Leserschaft mit "Europäischer Stabilitätsmechanismus" sicherlich heillos überfordert wäre) keinen Chef hat, sondern einen Geschäftsführenden Direktor. Das ist mal eine Position, deren Namen etwas sagt. Geschäftsführend. Aha. Ist das jetzt derjenige, der da medial "ESM-Chef" tituliert wird? Man weiß es nicht, denn über den derzeitigen Amtsinhaber schweigt sich der Artikel aus. Schnell den Namen des "ESM-Chefs" eingegeben: "Seit dem 1. Juli verwaltet er den Hilfsfonds der EU (Link auf den ESM)", was heißt das jetzt? Kann sich keiner mehr klar ausdrücken? Hilfsfonds der EU. Soso. Verwaltet. Hm.

Für den Spaß, dem "Eurogruppen-Chef" (die Euro-Gruppe, man beachte die semantisch bedeutsame Schreibweise, hat einen Vorsitzenden) und dem "FIFA-Chef" (die FIFA hat einen Präsidenten) in ihre wirklichen Funktionen nachzuspüren, scheint mehr Zeit vonnöten zu sein. Aus einem Medium, das sich in der Ersten Liga der seriösen Informationsvermittler sieht, eher wähnt, erfährt man jedenfalls nichts Substantielles.

Ich freue mich auf meinen Plausch mit dem Eiscafé-Chef. Der ist nämlich wirklich einer. Drei Kugeln Frucht bitte, mit Sahne groß, und einen Cappuccino.

[Non]

 
Und wenn es um eine der vielen europäischen Institutionen geht, heißt es: Brüssel.

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Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden...

Simplify your life. Insofern wieder nur konsequent, denn wer will kann da noch durchblicken? Wenn es nicht in allem und in letzter Konsequenz um unser kleines Leben dabei ginge... Oft habe ich den Eindruck eines großen absurden Spiels, nur weiß keiner davon. Hey, lass uns heute mal wieder Euro-Gruppe spielen. Auja, ich bin der Chef.

Darauf einen Toast. Egal, was drauf liegt.

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Also, früher, da gab es "Chefs" nur in den Ländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Die Staats- und Parteichefs nämlich...

Aber irgendwie passt das schon, mit der Adaption.

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Ja, die kamen mir vorhin beim Schreiben auch in den Kopf, und so im Plural ist "Chefs" ja auch sinnvoll, denn diese Regierungschefs heißen mal die Kanzler, mal Premierminister... Aber so ein einzelner Chef hat für mich immer den Beigeschmack "ich weiß nicht genau und ist ja auch egal" (der Journalist) oder "ihr versteht das alles sowieso nicht und Einzelheiten tun nichts zur Sache" (an die Rezipienten). Oder gar beides.

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