Sonntag, 7. Dezember 2014

Berlin in Häusern
Neu-Tempelhof
In der Garage stehen die Fahrräder der Kinder. Über eine moosige Vorgartenwiese geht es zur doppelten Haustür, dahinter Flur und Treppen aus bloßem lautem Holz. Das Fahrrad des Herrn Strafverteidiger steht in der guten Stube, auch Umzugskartons. Grober weißer Putz. Geradeaus das Gästezimmer mit einem Etagenbett und einem Klavier darin, auf dem Fußboden ein Berberteppich, ein rohweißer bodentiefer Vorhang ist mit großen Blumen benäht. Aus dem Gästezimmer geht der Blick direkt in die Gärten. Birken, Gerätehäuschen, Ästehaufen, Katze. Kantsteine, Sandkasten, hölzerne Dielen als Freisitz einfach aufs Gras gelegt. Rechts ein Arbeitszimmer, hier geht der Blick in den Vorgarten, nach Osten.

Im Flur ein funktionierender Speisenaufzug, 15 kg trägt er, so eingepunzt auf dem Herstellerblech an den Schiebetüren. Im Souterrain wohnt die Küche, aus der früher das Essen nach oben kam. Hier auch der Ausgang zum Garten, daneben eine Kuschelecke auf dem Fußboden mit Fleecedecken und einer Lehne aus Heizung. Playmobilszenen sorgsam aufs Fensterbrett gebaut, neben Kakteen und Adventskranz. Fröhliche Unordnung im vollgestopften Kühlschrank, der Hausherr kocht nachts um 23 Uhr schnell noch Nudeln mit Soße, es gibt Nachtisch aus dem Eimer und einen Rotwein, den er nicht kennt, obwohl er lange der Vorratskammer lag. Im offenen Speisenaufzug stehen Flocken und Flakes, Reis, Kakao, Stifte, weitere herzige Playmobilszenen oder ist es Lego.

Treppe hoch, Vorsicht, steil. Badezimmer mit Holzfußboden. Daneben die Kinderzimmer lebendiger Kinder eines zartfühlenden Vaters, der für die Tochter Sessel, Lichterkette und Glasschreibtisch, für den Sohn Fotosteckfolien und Baumaschinenbettwäsche kauft. Auf seinem eigenen Bett eine gefaltete Decke in einem großen Zimmer, dem Garten zu.

Die Treppe zum Dach ist unlackiert, oben gibt es ungedämmte Gaubenfenster, eines gehört zum Mädchenzimmer, in dem kein Mädchen wohnt.

In den Sträuchern und über den Garagen wärmen vereinzelt Herrenhuter Sterne das Herz dem Gast mit Licht durch Nacht.

 
 
Kreuzberg
Tanz mit Spreeblick. Auf der Nordbahn Augen auf!

Restaurant RICHARD. Feinste französische Küche von lockeren jungen Leuten in Blüsgen und Röckchen und Rolli und Anzug serviert. Ein Rotwein, der erklärt wird.

 
 
Grunewald
Braun gekachelte Balkontrennwand. Garten mit Pool, zu dem es keinen direkten Zugang gibt für die oberen Anteilsbesitzer, obwohl alles Gemeinschaftseigentum ist. Poolparties und Grillen überhaupt nicht erwünscht, Blätter in den Beeten auch nicht, die macht der Gärtner zweimal in der Woche weg, darum muss man sich nicht kümmern. Marmorfußboden auf 100 offenen Quadratmetern, der Gast schläft auf offener Galerie und wird morgens vom Hall der Kaffeelöffel an den lackierten Einbauschränken wach. Hall überhaupt, groß und leer. Metallener Adventskranz, einsame gläserne Objekte auf dem Kaminsims. Sofalandschaft mit teuren Kissen. Glänzender Marmor auch in drei Dimensionen des Gästebadezimmers, alles beheizt und eckig der Duschkopf.

Morgens beleuchtetes Flachdach. Der Gast wälzt sich von seiner Luftmatratze und wirft durch die Fensterfront eine halbvolle Bierflasche in den leeren Pool, es scheppert und splittert, gedanklich. Die 50jährigen Youngsters des Hauses lindern sein Heimweh mit Herzlichkeit, Parmaschinken und einer gechillten Stunde in einem Riesensessel bei Zeitung und Nichts. Abfahrt im Audi zum ZOB.

Es muss geschieden sein.

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