Vesper

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Montag, 7. Februar 2011
Die Weltformel
Man stelle einen Stuhl mit Sitzkissen auf eine Terrasse und zack! ist es Frühling. Vielleicht ist es auch umgekehrt.

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Sonntag, 6. Februar 2011
Viel Glück
Und wieder einmal wurde die schwere Krankheit einer Frau als Mittel zur noch weitergehenden Verpflichtung eines Mannes eingesetzt, zusätzlich verstärkt durch die Unfreiheit, die Öffentlichkeit immer bedeutet. Es sieht ja alles ganz gut aus (seine Körpersprache direkt nach ihrer Frage erlaubt allerdings auch eine andere Interpretation), aber wie lange wird sie sicher sein können, dass er auch ohne die Anwesenheit von Kameras und Kollegen Ja gesagt hätte?

Dienstag, 25. Januar 2011
Peng!
Die Mülltonne stand offen einen Spalt, einen Vormittag nur, und die Raben haben sie ausgeleert.

Ich bin jetzt ein M.

Bis sie den Preis der geleisteten Arbeit bezahlen, werde ich keinen Anzug mehr tragen. Wie du wirst empfangen, so kommst du gegangen. Von der Putzfrau bis zur Abteilungsleiterin sprechen sie mich an auf die frischen Röckchen und die lustigen Strickjacken. Ja, was? Nee, kann man nicht kaufen. Kann man machen. Also ich. Die Frist läuft bis April, und fast hoffe ich, mit Getöse kündigen zu können. Peng! Dann Beerdigungen spielen und Hausaufgabenhilfe sein, Apps programmieren für den Lieblingscousin, Rechnungen mit Consulter-Tagessatz schreiben, feine, den Händen und dem Auge wohltuende Gewebe verhandeln, in Champagner und Pflaume-Hellblau: das, das. Im Garten einen Piccolo aufmachen, jeden Mittwoch um 9:28 Uhr.

Das Dach entkernen. Eine Staub- und Steineparty veranstalten, mit Suppe und Brunch und Mundschutz und Gelächter auf der Treppe und Bier in der Wasserwanne. Dann einen dunklen Fußboden hineinfabrizieren und ein Cabriofenster, und das Bett unter die Sterne stellen.

Kostümparty zum Fünfzigsten. "Piraten, Kapitäne und Barschlampen" sind eingeladen, aber ich werde die Witwe des Admirals sein, mit silberbeschlagenem Gehstock, Tüllschleier am Hütchen, Federboa und ellenlangen Handschuhen. Silberhaarspray muss noch (--> Einkaufszettel). Granatrot und gütig und faltig am Hals und dünn wie eine Seenadel. Werdet erstmal so alt wie ich.

Freitag, 21. Januar 2011
Das Taxi nach Hause
Heiraten würde ich gern so: Gemeinsame Taxifahrt zum Standesamt. Danach kleines und sehr gutes Essen, dann Fahrt irgendwohin, nicht weit vielleicht, wo man in angenehmer Atmosphäre und bei dem Anlass angemessenen Getränken einander ansehen kann, ungestört und leise und aus nächster Nähe. Ein paar seltene Worte sprechen und den besonderen Blick haben, den nur dieser Tag schenkt. Das Taxi nach Hause gut bezahlen, dort einander sehr lieben, wie den ganzen Tag noch nicht und auch später nicht wieder. Wenn die Vögel aufwachen, ein wenig schlafen. Gegen Mittag gleichzeitig Brötchen holen und Kaffee kochen (das geht, man ist ja jetzt zu zweit). Nachmittags Zeit haben für einen Spaziergang draußen und herabgelassene Jalousien drinnen.

Abends könnten ein paar Leute angerufen werden, oder erst am nächsten Tag, falls das Ehepaar an diesem Abend noch für sich sein möchte.

Langsam, aufmerksam und ungestört heiraten.

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Mittwoch, 19. Januar 2011
Beeindruckend immer wieder, wie fulminant Zitronen schimmeln können.

Dienstag, 18. Januar 2011
Immer ein Traum
Immer wieder sitzen alle in der Sonne an kleinen runden Tischen und trinken Cappuccino und Eiskaffee, im Traum. Ich sehe sie, sie lachen mir zu, und ich habe das ganze Gepäck und weiß, dass es noch kein Hotel gibt für heute. Das muss ich noch besorgen. An einem Schalter in einer leeren Halle spricht die Dame hinter der Glasscheibe eine Sprache, die ich nicht verstehe, und es wird spät, das ist klar. Ich gehe zur Bushaltestelle, mit drei Koffern, mehr sind es nämlich nicht, den ausgehängten Fahrplan kann ich lesen und verstehen: es wird kein Bus mehr kommen nach Hause. Ich möchte nach Hause, im Traum, und ich höre sie reden und mit den Löffeln in den Tassen klappern. Wenn ich aufwache, bin ich zu Hause und bin froh nach ein paar Minuten, froh in meinem nassen Hemd, und weil ich so froh bin, laufen die Tränen.

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Samstag, 15. Januar 2011
Der Lehrer Bauer
Eines Tages wurde der Ludwig plötzlich sehr grün im Gesicht und schon ergoss sich ein flüssiger Schwall über die Schulbank und den Linoleumfußboden und über alles eigentlich. Und seine Hose war dunkel im Schritt und die Beine runter.

Danach geschah etwas Unvergessliches. Der Lehrer Bauer ("Lehrer" als Titel, so wie "Doktor Aßmann"), der sehr streng sein konnte, sagte nun sehr freundlich zu dem Ludwig, das macht nichts, Ludwig, das macht nichts. Der Lehrer Bauer, der sonntags die Kirchenorgel spielte und das schnaufende Harmonium trat und schlug, wenn er morgens den Unterricht mit einem frischen Morgenlied eröffnete, das die Klasse ihm Stehen sang, der Lehrer Bauer schaute mit einem einzigen Blick alle an und sagte, ich bin gleich wieder da, und es blieb ganz ruhig, bis er mit einem Putzeimer wiederkam und den grünen Ludwig am Arm zu einem anderen Stuhl führte, bevor er mit einem Lappen alles aufwischte. Er, der Lehrer Bauer, wischte alles auf, ohne Handschuhe.

Der Ludwig wurde nicht viel später mit einem Traktor abgeholt, da war schon wieder Unterricht.

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Donnerstag, 6. Januar 2011
9/16
Da hat einer ein Thema, ein waches, herrliches, und im zweiten Teil hat er noch eines, ein anderes, das wie eine Umkehrung tut, aber es ist keine, und das Thema ist einfach verschwunden, wo ist es nur, was macht er denn da, und dann kommt es wieder als Kontrapunkt und ist ein wunderbarer. Verschwendung, geile Verschwendung!

(J. S. Bach, Partita D-Dur BWV 828, Gigue)

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Montag, 3. Januar 2011
Gnadenflick
Grundsätzlich ist es eine gute Sache, alten Damen aufzuhelfen, wenn's im Knie schnackelt und die Risse im Chassis fast wie von selbst entstehen, denn die Letzte Ölung kommt doch immer erst nach der vorletzten, und was einer wegtut, ist des anderen liebstes Kuscheltier. Ob eine solche Transplantation eher caritas oder doch schon amor oder gar eine unzulässige Lebensverlängerung zu einem Zeitpunkt sei, zu dem das Ührlein einfach abgelaufen ist, finito, schön war's, Wiedersehen - wer will sich anmaßen, hier das richtige Kreuz zu machen? Die mütterliche Stimme im Ohr ("das musst du heften, Heften hat noch keinen gereut") verursacht den Klassiker: das Ärmelbrett drunter erstmal festnähen, doch Fluch und Ruf nach den herabgesetzten Markenbeinkleidern der Innenstadt sind schnell vergessen, wenn ein passender, curry-paprika-jeansfadenfarbiger Zwirn eingefädelt und das chirurgisch geöffnete Hosenbein unter den Fuß fabriziert ist. Das coole Gerät kann 125 km/h, doch hier geht es brav bei Fuß und setzt einen Stich neben den anderen auf Kommando, alte Damen haben's gern gemütlich und akkurat. Von Links- und Rechtsknieern denkt es sich derweil zu reizenden Zerrissenheiten und dass das andere Knie dann reißen darf bis wohin es will, denn dann wird Sommer sein.
Grau ist sie geworden, und dunkel war sie einst, wie dunkel, das lässt der ungebleichte, freie Fleck am Hinterteil erahnen, und lange wird die Hand brauchen, sich zu gewöhnen an eine Tasche weniger, das Alter fordert Tribut und Abschied.

Samstag, 25. Dezember 2010


Felsberger Flügelaltar, Detail (ca. 2 m x 1 m)
Eichenholz, Tiefrelief
Foto: Gerhard Jost

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