Mittwoch, 5. Januar 2011
Brief, und sehr gern
Mut, Anstand, Impuls, Höflichkeit, Aufrichtigkeit, eine Bitte und eine halbe Stunde unverpackt auf der Handfläche liegend: meinen Ernst soll er bringen, so schön es geht. Ob eine Antwort kommen wird?
Ja oder Nein - es würde in die Kommode kommen, linke Schublade, wo der Schmuck ist.

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Montag, 3. Januar 2011
Gnadenflick
Grundsätzlich ist es eine gute Sache, alten Damen aufzuhelfen, wenn's im Knie schnackelt und die Risse im Chassis fast wie von selbst entstehen, denn die Letzte Ölung kommt doch immer erst nach der vorletzten, und was einer wegtut, ist des anderen liebstes Kuscheltier. Ob eine solche Transplantation eher caritas oder doch schon amor oder gar eine unzulässige Lebensverlängerung zu einem Zeitpunkt sei, zu dem das Ührlein einfach abgelaufen ist, finito, schön war's, Wiedersehen - wer will sich anmaßen, hier das richtige Kreuz zu machen? Die mütterliche Stimme im Ohr ("das musst du heften, Heften hat noch keinen gereut") verursacht den Klassiker: das Ärmelbrett drunter erstmal festnähen, doch Fluch und Ruf nach den herabgesetzten Markenbeinkleidern der Innenstadt sind schnell vergessen, wenn ein passender, curry-paprika-jeansfadenfarbiger Zwirn eingefädelt und das chirurgisch geöffnete Hosenbein unter den Fuß fabriziert ist. Das coole Gerät kann 125 km/h, doch hier geht es brav bei Fuß und setzt einen Stich neben den anderen auf Kommando, alte Damen haben's gern gemütlich und akkurat. Von Links- und Rechtsknieern denkt es sich derweil zu reizenden Zerrissenheiten und dass das andere Knie dann reißen darf bis wohin es will, denn dann wird Sommer sein.
Grau ist sie geworden, und dunkel war sie einst, wie dunkel, das lässt der ungebleichte, freie Fleck am Hinterteil erahnen, und lange wird die Hand brauchen, sich zu gewöhnen an eine Tasche weniger, das Alter fordert Tribut und Abschied.

Sonntag, 2. Januar 2011
Pelz in späten Stunden
Aber es sind doch alles Bäume, dort in der kalten Nacht?
So leise, so schwarz, so groß!
Wie Blechhühner nicken die Sekunden um den Schläfer, so lange, bis der Gedanke gefunden ist, der wärmt und wacht wie eine Hand in einer guten Nacht.
Morgens lächeln. Die Hand und den Gedanken lieben, und die Hühner schlafen lassen.

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Vierteljahr
Nach einem Vierteljahr weißt du, dass du das Sofa auch weitere sieben Jahre schön finden wirst.
Nach einem Vierteljahr hörst du auf zu kotzen.
Nach einem Vierteljahr brauchst du auf keinen Anruf mehr zu warten.
Nach einem Vierteljahr kennst du die Namen der Haustiere deiner Kollegen.
Nach einem Vierteljahr sind die Umzugskartons ausgeräumt oder sie bleiben.
Nach einem Vierteljahr kannst du die gleichen Nichtigkeiten wieder ertragen.
Nach einem Vierteljahr weißt du, wie sie riecht, zu jeder Tageszeit.
Nach einem Vierteljahr gehst du seltener ans Grab.
Nach einem Vierteljahr ist wieder Weihnachten.

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Dienstag, 28. Dezember 2010
Dezember
gefalteter Schnee auf alten steilen Dächern, in Kurven gewickelt und in Schals nichts Blaues, Titten und Geist aufgerichtet, gleich und bloß, das Beste rettend, Wahn und Gabe heischend, fragend, ungefaltet

schweig mir etwas neues, schweig mir ränder

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Sonntag, 26. Dezember 2010
Wie trottel Trottel einmal Weihnachten feiern wollte
Es gibt was ganz Schönes, was, was sehr aufregend ist, weil da Beziehungen zu was von früher bestehen und weil da einer wirklich was kann, und ich dachte, das schreib ich in Wikipedia rein, da gibt es einen Artikel, da gehört es hin, denn es ist was Weitergedachtes, was Altesneues, was Kunst. Sauber hab ich den Artikel ergänzt, mit detaillierten Angaben, mit Wiki-Link auf den Standort und Web-Link, falls jemand alles verifizieren will und sich reinfuchsen in was ganz Schönes, und meine Ergänzung hatte genau 8 Stunden Bestand als unveröffentlichte neue Version, da wurde sie gesichtet und gelöscht mit dem Hinweis, die Ergänzung habe keine beispielgebende Bedeutung, gelöscht noch bevor sie öffentlich zu lesen war. Wikipedia am Arsch. Mach ich nie wieder, da was reinschreiben, auch nicht was ganz Tolles.

Es gibt einen, der wohnt in der Stadt auf einem ganz bestimmten, einem großen Platz, und der hat einen zerlumpten Pulli an und schaut im Sommer immer auf seine nackten Füße. Er spricht mit keinem und bettelt nicht und hat immer eine Flasche Orangensaft in seiner Stofftasche. Sein Bart ist lang und seine Augenbrauen auch. Am Heiligen Abend bin ich hingefahren und habe ihm einen Schal mitgebracht. Guten Tag, sagte ich, ich habe Ihnen einen Schal mitgebracht, den würd ich Ihnen gern schenken. Es ist Weihnachten. Nein, sagte er und schaute nicht vom Boden auf. Der ist warm, sagte ich, für Ihre Hände und auch warm am Hals. Nein danke, sagte er deutlich gereizt und schaute mich dabei aus Augen an, die ich vorher nie gesehen hatte, weil er immer nur auf den Boden schaut. Ich bin dann wieder nach Hause gefahren.

Ich wollte sogar mein Leben verschenken dieses Jahr, bin extra hingefahren, und hab gesagt, hier, ich hab dir was mitgebracht, und hab zwei Quitten auf den Tisch gelegt, so als Anfang, um den Mut noch ein wenig in Fahrt zu bringen, und dass ich mein Leben verschenken wollte, das musste ich dann gar nicht sagen, weil er hat schon ein Leben, und seins hat er so als angemessene Gegenleistung auch schon verschenkt. Hab ich es wieder mitgenommen, mein Leben.

Hier fallen übrigens die Eishauben von den langen Hecken und erschlagen leider niemanden, und der Nachbarhund schreit immer vor Schmerzen, wenn er in den Garten kackt. Aber egal. Zündet eure innere Kerze an, hat die Pastorin heute gesagt, und ich versuch das jetzt mal. Wenn ich Streichhölzer finde.

[Non]
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