Donnerstag, 2. Februar 2012
Telefonzentrale, wie kann ich Ihnen helfen?
Das Amt lässt fragen, welche Fremdsprachen ich beherrsche. Latein, sage ich. Verhandlungssicher? Nö, sage ich, ich könnte kein Brötchen kaufen, außerdem verstehen das die Verkäuferinnen auch immer nicht. Aber gefühlsecht, das kann ich. Dann brauchen wir das nicht, sagt die Amtsstimme. Sie fordert mein Abiturzeugnis an (Sport 10 Punkte, yeah, aber das brauchen wir auch nicht), und Arbeitszeugnisse. Von vor 20 Jahren, frage ich? Ja, alles, sagt sie. Das Amt möchte ein Bewerbungsschreiben von mir sehen und kontrollieren, ob ich alles richtig mache. Und einen Lebenslauf. Das werden 4 Seiten, sage ich. Das brauchen wir, sagt die Amtsstimme. Und wo ich mich bereits beworben habe, man kann "offen" oder "Absage" ankreuzen. Alles offen, sage ich. Absagen tu ich eigentlich immer selber. Ob ich bereit sei, ein Auto anzuschaffen, um zu meinem Arbeitsplatz zu kommen. Klar sage ich, aber ich verdiene bald nichts mehr. Also ja, sagt die Amtsstimme. Ihre Fähigkeiten? COBIT, sage ich. Was ist das, fragt die Amtsstimme. Was mit Computern, sage ich. Gut, welchen Abschluss haben Sie? Musikerin, sage ich. Stille. Aber Sie sagten doch was mit Computern? Ja, sage ich, und Hospizdienst. Okay, sagt die Amtsstimme, ich schicke Ihnen den Fragebogen zu, den füllen Sie dann selber aus und geben ihn innerhalb dreier Tage zurück ("von drei Tagen" sagt sie natürlich, ich korrigiere das mal eben), und dann müssen Sie persönlich erscheinen. Ich kann nicht aus dem Haus, sage ich, ich bin krankgeschrieben. Wenn Sie krankgeschrieben sind, dürfen Sie sich hier gar nicht melden, sagt die Amtsstimme. Aber jetzt sind Sie drin im Computer, das kann ich nicht mehr löschen. Das Abgabedatum kann ich auch nicht ändern, das gibt der Computer so vor. Was machen wir denn jetzt, fragt die Amtsstimme? Das haben wir gleich, sage ich. Mit welchem Betriebssystem arbeiten Sie denn, frage ich (wer fragt, führt, hab ich mal auf einem Kommunikationsseminar gelernt, da hab ich noch irgendwo ein Zertifikat über die "erfolgreiche Teilnahme", das muss ich auch noch einreichen. Und eins irgendwas mit "Powerfrauen". Haben wir gekotzt.). Weiß ich nicht, sagt sie, ich glaube, das ist ein Desktop. Gut, sage ich, dann schicken Sie mir das alles doch einfach mal zu. Wo kann ich das dann einreichen, wenn ich wieder gesund bin? Da kann man doch nicht parken oder ranfahren, oder? Weiß nicht, sagt die Amtsstimme, ich sitze hier in der Zentrale. Bitte besprechen Sie alles weitere mit Ihrem Arbeitsvermittler, ich sage Ihnen noch den Termin, Moment, Sie müssen da persönlich erscheinen, aber die Unterlagen müssen vorher da sein, mindestens drei Tage, damit er sich vorbereiten kann. Eben, sage ich. Ich weiß nun gar nicht, wer für Sie zuständig ist, sagt die Amtsstimme. Ich stecke das dann mit in den Brief. Danke sage ich, danke für Ihre Unterstützung.

[Non]
Mittwoch, 1. Februar 2012
Aufwartung machen
Es ist so eine Art Märchen, einen echten Schokoladenfabrikanten kennenzulernen. Einen Industriellen alter Schule, der sein Unternehmen, das er mit persönlichem Einsatz, viel leiblicher Anwesenheit, geschickten Investitionen, zeitgemäßem und zur Branche passendem Marketing und sozialem Fingerspitzengefühl dahin gebracht hat, wo es heute steht, nämlich an der Börse, und stabil notiert, der sein Unternehmen nicht liebt, aber zufrieden ist damit, und mit ein paar anderen auch noch, in Holland zum Beispiel. Er hält natürlich die Mehrheit der Aktien, und er fährt gelegentlich hin, aber nicht mehr so oft wie früher. Ich stelle ihn mir so vor: hinter einem Schreibtisch sitzend, auf dem ein metallener Briefbeschwerer steht (oder was aus Stein, das geht auch), außerdem ein Foto seiner Frau mit den Enkelkindern. Grauhaarig natürlich, noch nicht alt, aber schon ans Alter denkend und das ohne Sorgen. Ein bisschen beringt im Sinne eines klassischen Embonpoint, und beringt auch an einem Finger, nämlich per Ehering. In seinem Arbeitszimmer stehen keine Vitrinen, sondern Aktenschränke, denn er empfindet sich als Arbeiter und nicht als Museumsdirektor seines Erfolgs. Er liest seine Mails nicht selbst, und den Kaffee bringt die Sekretärin in nicht mehr ganz modernem Geschirr (also der Kaffee, nicht die Sekretärin. Lektor! Aufpassen.).
Was zieht man da an? Alles ein bisschen. Jeans, Schühchen, Pulli mit kleinkleinbisschen Tüddelüt über einer weißen Bluse und Kette um den Hals natürlich. Kaum Make-Up. Drüber Gehrock, drüber den Winterschal, der wärmt wie ein Mantel. Mittelgroße edle Tasche. Wir plaudern am Mittwoch ein bisschen, sagte er. Das machen wir, heute Nachmittag.

Sonntag, 29. Januar 2012

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Mittwoch, 25. Januar 2012
vielelicht ist schöner als vielleicht
Was ich sollte, das sagen sie mir alle. Jeder weiß, was ich sollte. Aufpassen, nichts gefallen lassen, nicht zu demütig sein. Dabei würde ich mir gerne etwas gefallen lassen. Gefallen lassen! Denkt mal drüber nach. Demütig sein. Warum nicht? Wer es ausprobiert hat, weiß, wie schön es ist. Aufpassen. Sowieso. "Geben Sie Ihre Fähigkeiten an": ich werde "aufpassen" schreiben. Und "Augen" und "Hände". Nicht aber: "teamfähig". Fähig, mit jemandem zusammenzuarbeiten, ja. Teamfähig, nein. Wenn ich das schön höre, "Team"!

Ich möchte dich anfassen.

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Sonntag, 22. Januar 2012
Tage von Zorn
Laut Klavier gespielt, Buckel gemacht wie Glenn Gould, man muss da so reinhexen, gestöhnt wie Bernstein (stimmt nicht!), die Hände voller D-Dur zum Schluss, das wummst gut, immer schön drauf aufs Pedal, und nicht nach links vom Hocker fallen. Danach aus der Brust "Bravo" gerufen, wie es immer in Konzerten ist nach dem Schlussakkord. Dann hat es an der Tür geklingelt, der Nachbar stand draußen, ob alles mit mir in Ordnung sei. Ich hab mich sogar verbeugt, hätte ich beinahe gesagt, aber ich brauche die Leute in der Nachbarschaft ja noch. Danach ist er in seinen Keller verschwunden, üben. Hihi. Seit Wochen macht er an einem Mozart rum.

Demnächst, ich sagte es schon an anderer Stelle, wieder Plustern und Gockeln wie ein Truthahn, den sie ja doch alle nur aufessen wollen. Aber ich spiele da nicht mit, schließlich ist Karlsson der beste Freund der Welt. Oder gleich richtig hühnern, mit Pink und Glitzer und Tusche und Musche. Weiß noch nicht. Wenn es eine Frau ist, lieber nicht. Wenn es ein Dr. habil. ist, auch nicht.

Die Stoffproben sind angekommen. So schön alle, dass die Wahl schwer fällt. Bestickte Seide, Duchesse, Mousselin, Tülle, Tafte. Frou-frou für die stillen Stunden.

Und so selbst versiegelt. Nur noch einmal sich wenden. In Ecken wohnen, unter Daunen, unterm Licht. Halbe Sonnen nicht mehr grüßen, sich rüsten hinter der Tür, die niemals richtig schließt. Die Formen der Sträuße sammeln, die Düfte der Burschen.

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