... später
Samstag, 22. Juni 2013
Kronleuchte
Gezögert ruft und Glauben links auf höher schlug kein Herz. Weiß mir nur Blau. One more! Gezählt und galt als Kreise, Zaun, ein Wiederbeben unter mitten Schleifen ungegolten. Silbern Verwundung.
[Komplet]
... anzeigen
(0 Kommentare)
... kommentieren
Samstag, 15. Juni 2013
Berker Q.1
Morgens riecht es nach kühler Nacht, nach vergangenem Regen und nach einem Sonnentag. Es riecht, als ob das Meer nicht weit sei. Die Bank an den Strauch gerückt, Kissen drauf, und die milchweißen Blüten bewundert, groß wie Suppentassen. Ja, bewundert, it's magic wie sie fast selbst scheinen im Sonnenlicht, aber nicht von diesem harten, blendenden Schneeweiß sind. Was nicht im Licht ist, ist dunkelsamtgrau. Wegen dieser Pflanze freue ich mich öfter mal auf mein Grab, denn sie wird darauf wachsen, das habe ich geklärt.
Kaffee dazu, Füße angezogen, dann kommt der Nachbar vom Brötchenholen und wir amüsieren uns über einen Witz mit Erbsensuppe. Sie frühstücken mit Besteckgeklapper derweil ich den halben Apfelbaum in einen blauen Sack schneide, denn er ist voller Raupennester. Zum Glück nur an den Blättern, die Äpfelchen selbst sind frei. 20 Liter Raupennester! Es krabbelt und windet sich hinter einem sehr speziellen Bühnenschleier. Sie fressen alles kahl, wenn keiner sie stört. Daneben vögeln zwei Spatzen in der Dachrinne, und sie sind sehr nett zueinander, sehr freundlich und sehr vorsichtig. Dafür oft. Sie nisten immer in den Spalten zwischen den Dachziegeln und dann zwitschert es quasi im Haus, aber doch draußen. Ob ich das wirklich möchte, irgendwann das Dach mit diesen dicht schließenden Betonpfannen decken?
Es erscheint in der Terrassentür der Mitbewohner und möchte gerne frühstücken. Bitteschön. Kleiner Zoff, weil 11 Uhr verabredet war zu einer kleinen Küchenumräumaktion, nun ist es 12 Uhr und vor 13 Uhr fühlt sich der Mitbewohner nicht in der Lage, irgendwelche Finger krumm zu machen, schließlich sei er gerade erst aufgestanden. Er sagt, ich soll nicht rumschreien, und dann schreie ich so zum Beispiel mal kurz wirklich, nur um zu demonstrieren, was schreien ist, und dann sage ich, also wie machen wir es jetzt. Ich wollte die Löcher für die Unterputzdosen vor der Mittagspause in die Wand stemmen, deswegen sagte ich gestern 11 Uhr. Jut, das mit dem Löcherstemmen wird erst nachmittags was, denn ich brauche den Mitbewohner vorher noch, um ein paar Sachen von hier nach da zu räumen, inbesondere weg von der Wand. Eine halbe Stunde Schlaf um die Mittagszeit ist ja auch immer sehr fein. Es regnet auf die Dachfenster, und das Bett riecht gut nach Bett.
Um 13:10 Uhr erscheint der Mitbewohner erneut und ist zu düll, um irgendetwas selbst anpacken zu können oder auch nur zuzuhören, was ich zu erläutern habe. Geschirr aus Schränken ins Wohnzimmer, Schränke von der Wand, Geschirr wieder in die Schränke, Kühlschrank ausräumen, auswaschen, an den neuen Platz rücken, Wände absaugen, auf dem Kühlschrank mal gründlich wischen. Kühlschrank wieder einräumen. Hängeschrank ausräumen, auseinanderbauen und in Einzelteilen in den Keller tragen. Hängeschrankaufhängungsleiste abschrauben und im Keller wieder an die Wand dübeln. Der Mitbewohner möchte den Schrank nicht wieder zusammenbauen oder aufhängen. Er möchte in sein Zimmer gehen und später etwas Warmes essen.
Spülmaschine anstellen, die zur Zeit und zur Hälfte in einen Eimer abpumpt, weil der Traps in der Luft hängt, mit Paketschnur an einem Stromkabel festgebunden, abenteuerlich, ja. Noch eine halbe Stunde schlafen. Es regnet nicht.
Inzwischen haben die Nachbarn Erdbeerkuchen auf dem Gartentisch und ein Neugeborenes zu Besuch. Sieht mit seiner Mütze aus wie Juri Gagarin und hat seine eigene Welt, denn es kann noch nicht richtig sehen. Herzlichen Glückwunsch sage ich zu den Eltern und zur kleinen Schwester, die mir stumm ihre Gießkanne entgegenhält, in der Steine klappern. Nun endlich: Steckdose in zwei Steckdosen verwandeln. Erstmal rausfinden, an welcher Sicherung sie hängt, dazu Staubsauger anmachen und im Keller ein bisschen an den Porzellandingern drehen. Die passende Sicherung ist mit "Warmwasser" beschriftet. Merken: "Warmwasser" sind die Steckdosen an den Küchenwänden Nord und Ost. Küchenwand West gehört zu "EG". Merken. Küchenwand Süd gibt es nicht, das braucht man sich nicht zu merken. Doppeldose abschrauben, darunter kommt eine metallene (!) Unterputzdose in Rechteckform (!) zum Vorschein. Rausstemmen, dazwischen ein bisschen mit dem Saitenschneider massakrieren, damit sie sich besser löst und packen lässt. Der Gips hat Rostflecken. Sachen gibt's. Der Mitbewohner taucht auf, er habe kein Internet, ob ich mal kurz kommen könne? Kein Strom, kein WLAN, kein Internet, sage ich. Ach so, sagt er, wie lange dauert das noch? Bis ich hier fertig bin. Er verschwindet wieder. Loch weiter aufstemmen, neue Doppeldose zusammenstöpseln und eingipsen, vorher alle Kabel wieder einfädeln (auch das "EG"-Kabel, was hier durchläuft). Kein Gesellenstück, das Einputzen, und der Maler wird wieder sagen finden Sie das schön, und ich werde sagen, ach ich wohne nur hier, ich brauche keine glatten Wände.
Der Mitbewohner möchte jetzt Essen haben. Ich sage, du kannst schon mal Nudeln kochen. Och nö, so viel Hunger habe er nicht. Oder doch. Er will aber nicht kochen. Gut, sage ich, es muss noch der Rasen gemäht werden und der Samstagseinkauf steht an, die Liste liegt auf dem Küchentisch. Was möchtest du machen? Nudeln kochen, sagt er. Die Artischocken, die ich später dazumische, nennt er "Zeug". "Das Zeug" würde er mir gern abgeben. Das sind Artischocken, sage ich. Das ist mir egal, sagt er.
Danach mähe ich den Rasen. Der Mitbewohner hat inzwischen einen Schlafplatz woanders organisiert. Ob ich ihn schnell hinfahren würde? Bitte, ob ich ihn schnell hinfahren würde? Ich habe zugesagt. Es wird dann wohl keinen Samstagseinkauf mehr geben. Hoffentlich reicht das Klopapier bis Montag. Obwohl. Der Mitbewohner kommt erst morgen Abend wieder. Reicht.
Kaffee dazu, Füße angezogen, dann kommt der Nachbar vom Brötchenholen und wir amüsieren uns über einen Witz mit Erbsensuppe. Sie frühstücken mit Besteckgeklapper derweil ich den halben Apfelbaum in einen blauen Sack schneide, denn er ist voller Raupennester. Zum Glück nur an den Blättern, die Äpfelchen selbst sind frei. 20 Liter Raupennester! Es krabbelt und windet sich hinter einem sehr speziellen Bühnenschleier. Sie fressen alles kahl, wenn keiner sie stört. Daneben vögeln zwei Spatzen in der Dachrinne, und sie sind sehr nett zueinander, sehr freundlich und sehr vorsichtig. Dafür oft. Sie nisten immer in den Spalten zwischen den Dachziegeln und dann zwitschert es quasi im Haus, aber doch draußen. Ob ich das wirklich möchte, irgendwann das Dach mit diesen dicht schließenden Betonpfannen decken?
Es erscheint in der Terrassentür der Mitbewohner und möchte gerne frühstücken. Bitteschön. Kleiner Zoff, weil 11 Uhr verabredet war zu einer kleinen Küchenumräumaktion, nun ist es 12 Uhr und vor 13 Uhr fühlt sich der Mitbewohner nicht in der Lage, irgendwelche Finger krumm zu machen, schließlich sei er gerade erst aufgestanden. Er sagt, ich soll nicht rumschreien, und dann schreie ich so zum Beispiel mal kurz wirklich, nur um zu demonstrieren, was schreien ist, und dann sage ich, also wie machen wir es jetzt. Ich wollte die Löcher für die Unterputzdosen vor der Mittagspause in die Wand stemmen, deswegen sagte ich gestern 11 Uhr. Jut, das mit dem Löcherstemmen wird erst nachmittags was, denn ich brauche den Mitbewohner vorher noch, um ein paar Sachen von hier nach da zu räumen, inbesondere weg von der Wand. Eine halbe Stunde Schlaf um die Mittagszeit ist ja auch immer sehr fein. Es regnet auf die Dachfenster, und das Bett riecht gut nach Bett.
Um 13:10 Uhr erscheint der Mitbewohner erneut und ist zu düll, um irgendetwas selbst anpacken zu können oder auch nur zuzuhören, was ich zu erläutern habe. Geschirr aus Schränken ins Wohnzimmer, Schränke von der Wand, Geschirr wieder in die Schränke, Kühlschrank ausräumen, auswaschen, an den neuen Platz rücken, Wände absaugen, auf dem Kühlschrank mal gründlich wischen. Kühlschrank wieder einräumen. Hängeschrank ausräumen, auseinanderbauen und in Einzelteilen in den Keller tragen. Hängeschrankaufhängungsleiste abschrauben und im Keller wieder an die Wand dübeln. Der Mitbewohner möchte den Schrank nicht wieder zusammenbauen oder aufhängen. Er möchte in sein Zimmer gehen und später etwas Warmes essen.
Spülmaschine anstellen, die zur Zeit und zur Hälfte in einen Eimer abpumpt, weil der Traps in der Luft hängt, mit Paketschnur an einem Stromkabel festgebunden, abenteuerlich, ja. Noch eine halbe Stunde schlafen. Es regnet nicht.
Inzwischen haben die Nachbarn Erdbeerkuchen auf dem Gartentisch und ein Neugeborenes zu Besuch. Sieht mit seiner Mütze aus wie Juri Gagarin und hat seine eigene Welt, denn es kann noch nicht richtig sehen. Herzlichen Glückwunsch sage ich zu den Eltern und zur kleinen Schwester, die mir stumm ihre Gießkanne entgegenhält, in der Steine klappern. Nun endlich: Steckdose in zwei Steckdosen verwandeln. Erstmal rausfinden, an welcher Sicherung sie hängt, dazu Staubsauger anmachen und im Keller ein bisschen an den Porzellandingern drehen. Die passende Sicherung ist mit "Warmwasser" beschriftet. Merken: "Warmwasser" sind die Steckdosen an den Küchenwänden Nord und Ost. Küchenwand West gehört zu "EG". Merken. Küchenwand Süd gibt es nicht, das braucht man sich nicht zu merken. Doppeldose abschrauben, darunter kommt eine metallene (!) Unterputzdose in Rechteckform (!) zum Vorschein. Rausstemmen, dazwischen ein bisschen mit dem Saitenschneider massakrieren, damit sie sich besser löst und packen lässt. Der Gips hat Rostflecken. Sachen gibt's. Der Mitbewohner taucht auf, er habe kein Internet, ob ich mal kurz kommen könne? Kein Strom, kein WLAN, kein Internet, sage ich. Ach so, sagt er, wie lange dauert das noch? Bis ich hier fertig bin. Er verschwindet wieder. Loch weiter aufstemmen, neue Doppeldose zusammenstöpseln und eingipsen, vorher alle Kabel wieder einfädeln (auch das "EG"-Kabel, was hier durchläuft). Kein Gesellenstück, das Einputzen, und der Maler wird wieder sagen finden Sie das schön, und ich werde sagen, ach ich wohne nur hier, ich brauche keine glatten Wände.
Der Mitbewohner möchte jetzt Essen haben. Ich sage, du kannst schon mal Nudeln kochen. Och nö, so viel Hunger habe er nicht. Oder doch. Er will aber nicht kochen. Gut, sage ich, es muss noch der Rasen gemäht werden und der Samstagseinkauf steht an, die Liste liegt auf dem Küchentisch. Was möchtest du machen? Nudeln kochen, sagt er. Die Artischocken, die ich später dazumische, nennt er "Zeug". "Das Zeug" würde er mir gern abgeben. Das sind Artischocken, sage ich. Das ist mir egal, sagt er.
Danach mähe ich den Rasen. Der Mitbewohner hat inzwischen einen Schlafplatz woanders organisiert. Ob ich ihn schnell hinfahren würde? Bitte, ob ich ihn schnell hinfahren würde? Ich habe zugesagt. Es wird dann wohl keinen Samstagseinkauf mehr geben. Hoffentlich reicht das Klopapier bis Montag. Obwohl. Der Mitbewohner kommt erst morgen Abend wieder. Reicht.
[Vesper]
Freitag, 14. Juni 2013
Nachtstück op. 89 Nr. 17
Er bittet sie, ihn abzusetzen bei nächster Gelegenheit und er steigt an einer Kreuzung aus. Ich weiß noch nicht, sagt er, und: danke für's Mitnehmen. Wendet sich zurück zu den Straßen der inneren Stadt, auf denen genug Licht ist, um die Schatten in den Asphalt zu zwingen. Die große Kirche steht beleuchtet, die Türen sind inzwischen verschlossen, die Podeste schon abgebaut, die Instrumente mit ihren Besitzern unterwegs in nachttischlampenheimelige Hotelzimmer, die Manuale der Orgel mit Samtläufern bedeckt, auf den Altar senkt sich der Staub der abgestellten Heizung. Still, alles still um den Heiland.
Geradeaus geht er, blickt nicht durch die beschlagenen Scheiben so genannter Brauhäuser und Locations, deren kreischiges Geschrei durch die nie ruhenden Türen dringt. Paare in schwach beleuchteten Bars, in Pubs, in Restaurants, gruppierte Youngsters, die noch nicht wissen wer mit wem, sie sehen ihn nicht an und er sie nicht. Halogenstrahlergequälte Kleiderpuppen mit Maschinenblicken, chronisch vorgeschobenen Hüften und plastikhart sich durch die Vêtements abzeichnenden hohlen Titten in den Fenstern des Kaufhauses. Sie sehen ihn nicht an und er sie nicht.
Er tritt ein in einen warmen Raum voller leiser Unterhaltungen, um den Durst des Wanderers hastig zu löschen, er wischt die Brillengläser nicht, im Stehen leert er das Glas und zahlt im Stehen, blind nur hinter seiner Brille, blind genug jedoch, um die Musik nicht zu hören. Beim Hinausgehen rötet ihm die Winterluft streifig in die immer schon verbogenen Ohren. Er zieht die Schultern höher.
Gerät in einen verlassenen ungezäunten Friedhof mit weit stehenden Steinen ohne Wege, ohne Ordnung. Auf die federnden, durch und durch nassen Stoppeln der sommers so schmutzigen Stadtwiese mitten im Lauten tritt er schwarze Spuren, ein unerklärtes Muster bis zu einem schulterhohen Stein, den er mit zwei Fingern prüft. Kalt. Mit seinen 62 Kilo lehnt er sich dagegen, der Stein wird ihn halten, das wird gehen. Kalt. Jahr. Hier. Noch. Wohl. Bett. Sehr. Four-letter-words. Tot hat nur drei, Grab schon wieder vier. Mond. Wolk. Himm. Ich hab fünf, sagt der Schuh, sei still, sagt die Nacht, ich auch, aber darüber spricht man nicht. Er schaut hoch, geblendet von Scheinwerfern, die sich doch abwenden, widerstandslos herumgehebelt von so einer einfachen Kurve. Weiter. Weiter. Auch darüber spricht man nicht.
Gerät vor die Tore in ein begehrtes Wohnviertel noch nahe der inneren Stadt, hier kann er die Schritte zählen, die es braucht, bis sein Schatten ihn wieder schräg von hinten überholt von Laterne zu Laterne im Rhythmus von Sonnenjahren. Dunkel ernsthafte Hauseingänge mit anziehend beleuchteten Klingelschildern, er möchte dringend "da Silva" heißen, und sie müsste eine Schwedin sein. Die Schwedin vom Walde; das Klingelschild weich beleuchtet von innen, er abends mit dem Schlüssel. Mit dem Handballen fährt er grob über die Augenbraue, dabei ist es der Hals, in dem es brennt und sägt. Tot, tot mit drei Buchstaben.
Weiter! Unter den Tauperlen der kalten Nacht eingesunkene Autos, die Schnauzen zu Boden genickt, schimmernd alle ohne Not. Noch fließen die Tränen des Morgens nicht den Lack hinab. Rot blendende Fußgängerampeln an unbefahrenen Kreuzungen, es schlafen die Menschen in ihren Betten. Ein Hund mit Halstuch und auf harten Krallen trabend, auch er mit der Schnauze am Boden, der Kälte Freund, mit Ziel und Zeit, so scheint es. Ein unbeirrtes Wesen, schau, er dreht sich um, er sieht im nach bis zur Häuserecke. Da Silva nennt er ihn. Da Silva!
Bald heißt das Viertel ärmlich und problematisch, die Müllcontainer stehen plötzlich draußen und ohne Knöterich um gezimmerte Remisen, die Hauseingänge unverborgen gähnend, Nummern aus Kunststoff, wenn beleuchtet überhaupt. Eine Ausfallstraße lässt ihn hinüber in ein ungesehenes Quartier, hell erleuchtet stechen zu vielen trüb beleuchtete Flure durch ein Spital, längs und lang durch dunklen Klotz. Hinter gekippten Fenstern wird gelitten und versorgt. Die unbegreifliche Miene jedes Oberarztes, der "bitte kommen Sie in mein Büro" und "bitte setzen Sie sich" sagen kann wie ein blöder Schaffner, dieses Gesicht, das sie alle pflegen wie geerbtes Silberbesteck, diese Visage schläft auch hier im Dienst. Die gepflasterte Rampe muss er hinauf, schnell!, Fresse polieren Fresse polieren, den ledernen Besucherstuhl mit den Beinen zuerst über den Schreibtisch stoßen, in diese Fresse, in diese polierte Fresse, da fahren die Türen auseinander, innen alles hell, weißer Flur, weiße Schilder, leer das Foyer, hinter der Pförtnerscheibe nur der Bildschirmschoner lebendig. Warme Luft strömt um seinen Hals, da winkt der Pförtner auch schon, winkt ihn heran, "bitte setzen Sie sich" will der sagen, der steht schon auf von seinem Stuhl, "bitte kommen Sie in mein Büro", die Hand hat der schon nach der Glastür seines lächerlichen Kabuffs ausgestreckt; da dreht er um und stolpert und fällt doch nicht, die Rampe hinab, ins Kalte. Hinter ihm raunt es "rein" und "raus", es sind die Türen, die sich schließen auf ihren geölten Schienen, es ist ihre Pflicht.
Er fällt auf einen Sessel aus Drahtgeflecht, das Gesicht dem Himmel zu.
Später erwacht er vom moderat hallenden Tack-tack seiner Schritte, der Gurt der Tasche drückt auf sein Schlüsselbein, er geht und biegt ab und biegt ab und geht, rechts links, die Schleifen früher Freuden streunen um den Mond den dunklen, die Ballen setzt er knapp vor die feuchten Ritzen zwischen den Gehwegplatten, immer genau eine zwischen zweien, immer eine Ritze zwischen zwei Platten, so hat Gott sie erschaffen, und er setzt seine Füße genau passend, die Wölbung immer genau über einer Ritze. Eine halbgute Tat jeder Schritt, genau und grau, und keiner wird singen davon. Blechhühner nicken in seinem Nacken wie Sekunden, die helle Stimme der Tage hat er in der Tasche, nicht hungrig doch verwischt all Blum zu Falten zwar. So sehr die Nacht wie sie. Und er blickt aus trockenen Augen hinauf zu Schlafzimmern und Küchenfenstern, dunkel fast alle, so dunkel und matt wie ein schmerzendes Sternum.
Mit dem bald blauenden Morgenhimmel erreicht er eine Haltestelle mitten im Tau, 6 Doppelpunkt 17 steht auf der Fahrkarte, die der Automat ihm schenkt, und er steigt ein in den Zug, der bald kommen wird.
Geradeaus geht er, blickt nicht durch die beschlagenen Scheiben so genannter Brauhäuser und Locations, deren kreischiges Geschrei durch die nie ruhenden Türen dringt. Paare in schwach beleuchteten Bars, in Pubs, in Restaurants, gruppierte Youngsters, die noch nicht wissen wer mit wem, sie sehen ihn nicht an und er sie nicht. Halogenstrahlergequälte Kleiderpuppen mit Maschinenblicken, chronisch vorgeschobenen Hüften und plastikhart sich durch die Vêtements abzeichnenden hohlen Titten in den Fenstern des Kaufhauses. Sie sehen ihn nicht an und er sie nicht.
Er tritt ein in einen warmen Raum voller leiser Unterhaltungen, um den Durst des Wanderers hastig zu löschen, er wischt die Brillengläser nicht, im Stehen leert er das Glas und zahlt im Stehen, blind nur hinter seiner Brille, blind genug jedoch, um die Musik nicht zu hören. Beim Hinausgehen rötet ihm die Winterluft streifig in die immer schon verbogenen Ohren. Er zieht die Schultern höher.
Gerät in einen verlassenen ungezäunten Friedhof mit weit stehenden Steinen ohne Wege, ohne Ordnung. Auf die federnden, durch und durch nassen Stoppeln der sommers so schmutzigen Stadtwiese mitten im Lauten tritt er schwarze Spuren, ein unerklärtes Muster bis zu einem schulterhohen Stein, den er mit zwei Fingern prüft. Kalt. Mit seinen 62 Kilo lehnt er sich dagegen, der Stein wird ihn halten, das wird gehen. Kalt. Jahr. Hier. Noch. Wohl. Bett. Sehr. Four-letter-words. Tot hat nur drei, Grab schon wieder vier. Mond. Wolk. Himm. Ich hab fünf, sagt der Schuh, sei still, sagt die Nacht, ich auch, aber darüber spricht man nicht. Er schaut hoch, geblendet von Scheinwerfern, die sich doch abwenden, widerstandslos herumgehebelt von so einer einfachen Kurve. Weiter. Weiter. Auch darüber spricht man nicht.
Gerät vor die Tore in ein begehrtes Wohnviertel noch nahe der inneren Stadt, hier kann er die Schritte zählen, die es braucht, bis sein Schatten ihn wieder schräg von hinten überholt von Laterne zu Laterne im Rhythmus von Sonnenjahren. Dunkel ernsthafte Hauseingänge mit anziehend beleuchteten Klingelschildern, er möchte dringend "da Silva" heißen, und sie müsste eine Schwedin sein. Die Schwedin vom Walde; das Klingelschild weich beleuchtet von innen, er abends mit dem Schlüssel. Mit dem Handballen fährt er grob über die Augenbraue, dabei ist es der Hals, in dem es brennt und sägt. Tot, tot mit drei Buchstaben.
Weiter! Unter den Tauperlen der kalten Nacht eingesunkene Autos, die Schnauzen zu Boden genickt, schimmernd alle ohne Not. Noch fließen die Tränen des Morgens nicht den Lack hinab. Rot blendende Fußgängerampeln an unbefahrenen Kreuzungen, es schlafen die Menschen in ihren Betten. Ein Hund mit Halstuch und auf harten Krallen trabend, auch er mit der Schnauze am Boden, der Kälte Freund, mit Ziel und Zeit, so scheint es. Ein unbeirrtes Wesen, schau, er dreht sich um, er sieht im nach bis zur Häuserecke. Da Silva nennt er ihn. Da Silva!
Bald heißt das Viertel ärmlich und problematisch, die Müllcontainer stehen plötzlich draußen und ohne Knöterich um gezimmerte Remisen, die Hauseingänge unverborgen gähnend, Nummern aus Kunststoff, wenn beleuchtet überhaupt. Eine Ausfallstraße lässt ihn hinüber in ein ungesehenes Quartier, hell erleuchtet stechen zu vielen trüb beleuchtete Flure durch ein Spital, längs und lang durch dunklen Klotz. Hinter gekippten Fenstern wird gelitten und versorgt. Die unbegreifliche Miene jedes Oberarztes, der "bitte kommen Sie in mein Büro" und "bitte setzen Sie sich" sagen kann wie ein blöder Schaffner, dieses Gesicht, das sie alle pflegen wie geerbtes Silberbesteck, diese Visage schläft auch hier im Dienst. Die gepflasterte Rampe muss er hinauf, schnell!, Fresse polieren Fresse polieren, den ledernen Besucherstuhl mit den Beinen zuerst über den Schreibtisch stoßen, in diese Fresse, in diese polierte Fresse, da fahren die Türen auseinander, innen alles hell, weißer Flur, weiße Schilder, leer das Foyer, hinter der Pförtnerscheibe nur der Bildschirmschoner lebendig. Warme Luft strömt um seinen Hals, da winkt der Pförtner auch schon, winkt ihn heran, "bitte setzen Sie sich" will der sagen, der steht schon auf von seinem Stuhl, "bitte kommen Sie in mein Büro", die Hand hat der schon nach der Glastür seines lächerlichen Kabuffs ausgestreckt; da dreht er um und stolpert und fällt doch nicht, die Rampe hinab, ins Kalte. Hinter ihm raunt es "rein" und "raus", es sind die Türen, die sich schließen auf ihren geölten Schienen, es ist ihre Pflicht.
Er fällt auf einen Sessel aus Drahtgeflecht, das Gesicht dem Himmel zu.
Später erwacht er vom moderat hallenden Tack-tack seiner Schritte, der Gurt der Tasche drückt auf sein Schlüsselbein, er geht und biegt ab und biegt ab und geht, rechts links, die Schleifen früher Freuden streunen um den Mond den dunklen, die Ballen setzt er knapp vor die feuchten Ritzen zwischen den Gehwegplatten, immer genau eine zwischen zweien, immer eine Ritze zwischen zwei Platten, so hat Gott sie erschaffen, und er setzt seine Füße genau passend, die Wölbung immer genau über einer Ritze. Eine halbgute Tat jeder Schritt, genau und grau, und keiner wird singen davon. Blechhühner nicken in seinem Nacken wie Sekunden, die helle Stimme der Tage hat er in der Tasche, nicht hungrig doch verwischt all Blum zu Falten zwar. So sehr die Nacht wie sie. Und er blickt aus trockenen Augen hinauf zu Schlafzimmern und Küchenfenstern, dunkel fast alle, so dunkel und matt wie ein schmerzendes Sternum.
Mit dem bald blauenden Morgenhimmel erreicht er eine Haltestelle mitten im Tau, 6 Doppelpunkt 17 steht auf der Fahrkarte, die der Automat ihm schenkt, und er steigt ein in den Zug, der bald kommen wird.
[virtus]
Donnerstag, 6. Juni 2013
Hans J. Wegner CH445
Ein Sessel wie ein Gentleman: zurückhaltend aber nicht unauffällig, distinguiert, einladend, keiner Mode folgend, gepolstert aber nicht nachgiebig, elegant und großzügig. Graues Tuch, schlanke Beine.
[Vesper]
Dienstag, 4. Juni 2013
Interiors
Mit den um den Kuchen gescharten Damen kommt auch die Lust zurück, Feuer zu machen und einzuladen, nicht wahllos aber großzügig. Zwei Kästen Bier zu kaufen, Lampions an die Dachrinne zu hängen und das Plaudern im Haus zu haben. Listen zu schreiben, als ob überhaupt nur damit das Kommende gemacht werden könnte.
Nur noch ein großes Müssen zu haben: genug Kohle zu erarbeiten, dass es gegen den Hunger und für ein paar Fahrten reicht, und dass es recht schön ist hier. Nur noch ein einzelnes Müssen, das ist großartig. Auf's Geschöpf aufpassen, klar, aber auch dieses Aufpassen ist gut angelegt und braucht kaum mehr Aufmerksamkeit noch großen Impuls. Gestern kamen wieder zwei Sessel an, spediert in holzstabilen Kartons, groß wie ein Ziegenstall. Die Pfingstrosen stehen mit Knospen überm Laub und die Vögel sind alle flügge ohne größere Verluste dieses Jahr. Es sind schöne Kleider im Schrank und es gibt genug Stühle und Betten im Haus. Mehr Paar Tanzschuhe als Badeanzüge, das ist ein gutes Verhältnis.
Salón mit diesem alkoholfreien ó.
Sie heißen wieder Friederike, Karola, Andrea, Anke, zweimal Ulrich, zweimal Bernd, Jürgen, Theo und Joachim. Wie in der Schule, wo es ja schön war. Heute darf das gesagt sein, ohne verprügelt zu werden oder Schneebälle ins Genick zu bekommen. Der Beschützer hieß Matthias und hatte rote Haare, Sommersprossen und Schuhgröße 36 in der ersten Klasse. Matthias heißt hier zur Zeit keiner.
Nur noch ein großes Müssen zu haben: genug Kohle zu erarbeiten, dass es gegen den Hunger und für ein paar Fahrten reicht, und dass es recht schön ist hier. Nur noch ein einzelnes Müssen, das ist großartig. Auf's Geschöpf aufpassen, klar, aber auch dieses Aufpassen ist gut angelegt und braucht kaum mehr Aufmerksamkeit noch großen Impuls. Gestern kamen wieder zwei Sessel an, spediert in holzstabilen Kartons, groß wie ein Ziegenstall. Die Pfingstrosen stehen mit Knospen überm Laub und die Vögel sind alle flügge ohne größere Verluste dieses Jahr. Es sind schöne Kleider im Schrank und es gibt genug Stühle und Betten im Haus. Mehr Paar Tanzschuhe als Badeanzüge, das ist ein gutes Verhältnis.
Salón mit diesem alkoholfreien ó.
Sie heißen wieder Friederike, Karola, Andrea, Anke, zweimal Ulrich, zweimal Bernd, Jürgen, Theo und Joachim. Wie in der Schule, wo es ja schön war. Heute darf das gesagt sein, ohne verprügelt zu werden oder Schneebälle ins Genick zu bekommen. Der Beschützer hieß Matthias und hatte rote Haare, Sommersprossen und Schuhgröße 36 in der ersten Klasse. Matthias heißt hier zur Zeit keiner.
[Vesper]
... früher