Vesper

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Donnerstag, 28. März 2013
Mit einem Fenster
111 Ausstellungsküchen heute angesehen. Nur mal schauen. Wie immer: sofort klar, was passt, was toll ist für den Rest der irdischen Zeit, und was in Frage kommt. So viel Scheiß! Dazwischen ein Blinken, ein Hier!, ein Bild. Die schönen Holzmöbel von 1959 müssen aber keine Angst haben. Es ist ja gar kein Geld da. Was für eine Last, eine treue Seele zu sein.

Ich wollte Energie sparen und habe den Fahrrad-Editor genutzt, nicht das Mercedes-Word.

Der Weihnachtsstern aus Buntpapier bleibt an der Haustür, bis es warm wird.
Es bleibt kalt, solange nicht der Weihnachtsstern aus Buntpapier abgenommen wird.
Du hast nicht nur einen schönen warmen Tag zum Geburtstag bekommen, sondern den ganzen Frühling, sagt die Nachbarin.

Sie würden sich gut mit meiner Mutter verstehen, sagt der junge Mensch mit dem hochgegelten Schopf, dem ich die Hand gebe an der Tür, das muss schon sein. Ist das ein Kompliment? Oder heißt das, ihr habt doch alle denselben Knall?

Fünf kann ich beim Vornamen nennen, die hier anrufen. Ja, sie ist da, sage ich dann, Moment.

Morgen Feiertag. Abendmahl. Die letzten Garnelen als Fischersatz.

Kinderfreies Wochenende, bis Dienstag. Was machst du Schönes, fragten sie heute. Da habe ich mir schnell was ausgedacht, was als was Schönes gelten kann für sie. Sie sind so nett.

Keine Antwort ist keine Antwort.

Es sind lange Tage. Sie beginnen früh, und weil sie so früh beginnen, hören sie auch früh auf.

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Sonntag, 17. März 2013
Pregate per lui
Ein bisschen habe ich Sorge um den Neuen. Es gab vor nicht allzu langer Zeit schon einmal einen lächelnden, sichtbar menschenfreundlichen Papst, der war nach 4 Wochen im Amt tot.

Samstag, 9. März 2013
Rationis tremor
Kranke Nacht, kranker Tag. Das Thermostat auf 24,5 Grad, die Decke trotzdem zu dünn. Der Blick aus dem großen Fenster auf den schwarz spiegelnden fast leeren Parkplatz auch krank, so blauschwarz, so blendend düster, so in Sterne gebrochen die paar Lichter. Unangenehm die Dusche, das Wasser auf der Haut. Kein Appetit auf das Frühstücksbuffet. Seltener Kopfschmerz, eine Tablette aus dem Notfallkoffer in einer der Garderoben, ein Glas Wasser dazu von einem, der ein echter Kümmerer ist und ein Berufskümmerer dazu. Warmer Dank steigt im Hals hoch, seine Freundlichkeit macht so warm; unangenehm und peinsam die ganze Wackligkeit und so ein blöder Wunsch.

Im Bus zurück so feine Gespräche. Die Ruhe langer gemeinsamer Jahre, und doch gehört nichts zusammen. Am ZOB stiebt es auseinander, was noch am Vormittag um Mischen und Schmelzen bemüht war.

Wie lange es her ist, dass eine Empfindung gelten konnte.

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Freitag, 8. März 2013
Insieme
Kein graues Haar, Augen wirklich wie Schwarzkirschen, das Hemd hängt halb aus der Jeans, und bald zieht er den grauen Pullover natürlich nach Männerart über den Kopf, denn er arbeitet intensiv. Ab da nackte Haut über einem schwarzen Bund, wenn er die Arme hebt. Tenoren nennt er eine Ecke, Alten und Bassen eine andere, und sein Oxford English versetzt er mit sauber artikulierten deutschen Taktzahlen und einem breiten Daankeschen wenn er abbricht. You are the victim of your success, sagt er, wie der ganze Trupp müde wird um halb zehn, denn so ein bürgerlicher Arbeitstag ist lang und die Probe da schon dreieinhalb Stunden alt, und dass das Piano "more aquatic" sein möge. Lecker oder, sagt in der coffee break der kleine Süße zu mir, für dich oder für mich, sage ich, und wir müssen lachen und er seufzt und strahlt aus seinen Schultern. Harte Tage stehen bevor, aber wie schön ist es immer, jemanden leidenschaftlich arbeiten zu sehen.

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Mittwoch, 27. Februar 2013
Ein feste Burg
An dem Tag, an dem ich zwölfeinhalb Jahre alt wurde, fuhren wir wie an jedem Schultag mit dem Stadtbus nach Hause. Der Bus hieß Stadtbus, weil er nicht der Postbus war, wir lebten in einem insofern privilegierten Dorf, denn der Bus fuhr jede Stunde und nicht nur dreimal am Tag. Wir schlichen den steilen Berg hinauf, an dem im Winter die Autos mit Hinterradantrieb hängenblieben, krochen vorbei am Kindergarten "St. Marien" und an der Grundschule, die einfach nur Grundschule hieß, trugen unsere schweren ledernen Büchertaschen auf dem Rücken und quasselten müde über irgendwas. Wo die Steigung nachließ, bogen die beiden anderen links ab, sie wohnten im anderen Neubaugebiet, wo es schicke Bungalows mit dunklen glänzenden Fliesen im Wohnzimmer und mit Einliegerwohnungen mit reichen Omas darin gab, und ich ging weiter in die "Siedlung".

Ich hatte Geburtstag, und es war ein ganz besonderer. Rund konnten man ihn nicht nennen, aber ein Achtel Jahrhundert war eine gewisse Zeit, und ich empfand Bedeutung, die ich mir nicht erklären konnte, aber schon doch irgendwie. Ich bedauerte, dass ich an dem Tag, an dem ich ein Sechzehntel Jahrhundert alt geworden war, noch nicht in dieser Art hatte denken können, denn ich hätte das Gefühl damals gerne mit dem Gefühl verglichen, das mich schon den ganzen Vormittag so seltsam festlich gestimmt hatte. Ich konnte es niemandem erzählen, dass ich Geburtstag hatte, das war schon lange klar geworden, und was noch viel ärger war, ich konnte niemanden fragen, ob er ein Achtel Jahrhundert auch so viel toller fand als Zwölfeinhalb, und vor allem: warum. Es hatte etwas mit Zwei und Vier und Acht zu tun, soviel war klar, aber warum war das so schön? Warum war Drei und Neun und Siebenundzwanzig nicht so schön? Bestimmt, weil man 100 nicht durch Drei und ihre Verwandten teilen konnte. Durch Acht konnte man 100 aber genau betrachtet auch nicht besser teilen. Und was war an 100 so schön? Was hatten Nullen mit einem festlichen Gefühl zu tun?

Ich kam nach Hause, und wie jeden Tag stand genau um 13:55 Uhr ein Mittagessen mit kleinem Nachtisch fertig auf dem gedeckten Tisch, die Mutter legte nach dem Öffnen der Tür die Schürze ab, und man musste nur die Schuhe ordentlich ins Regal stellen und die Jacke an den Haken hängen und durfte sofort zum Essen kommen. Es gab wahrscheinlich Ripple mit Kraut oder Leber mit Apfel oder Fisch mit Reis und gekochtem Gemüse, und das war sehr gut so.

Samstag, 26. Januar 2013
Nest verlassen
Frau König kommt nicht mehr nach Hause.

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Donnerstag, 24. Januar 2013
Vor dem Abend schnell gelobt
Die Begeisterung möge Absolution genug sein für ein fettes Eigenlob: der Designpreis für das schönste Badezimmer im Haus geht eindeutig an die Bauleitung, wie ich mich auf einem heute unterzeichneten Stundenzettel völlig zu Recht genannt sah. Knapp 3 Quadratmeter hat das Prachtstück von Familienbadezimmer, das bisher ein Traum in Rentnerbeige und Popelgrün war, mit einem Hauch Orange und gruselig barock hineingezwungener Colanikeramik (ebenso olivgrün wie alle Fugen). Bevor der Denkmalschutz das Kulturzeugnis aus den deutschen 70ern entdeckt hat, war es vor 3 Wochen plötzlich in einem Schuttcontainer vor der Haustür verschwunden - wat fott is is fott. Das Colani-Monsterwaschbecken hat übrigens vorher ein unfassbar korrektes Vater-Sohn-Paar aus Heppenheim mit dem Opel abgeholt und bezahlt.

Seit fast drei Wochen Männer im Haus, die morgens klingeln und abends wieder gehen, manchmal den Hausschlüssel mitnehmen und immer kehren, bevor sie Feierabend machen. Sie haben Zwischendecken aufgerissen, Löcher in Stahlbeton gebohrt, den Herd aus- und wieder eingebaut, weil sich dahinter die Kaltwasserleitung viel eleganter in den Rohrkasten führen lässt als daneben, sie haben Kupferrohr in den Garten geworfen und mit der Flex hantiert wie ein Friseur mit der Schere. Sie haben den Nähplatz samt Regal und Bügelbrett komplett unter Folie verschwinden lassen, denn auch dort mussten sie mal kurz entlangbohren. Den superfeinen Kaffee, den das Mütterlein zu Weihnachten mitgebracht hatte, habe ich an sie verfüttert, und wie gern sie ihn getrunken haben, das ist schon recht. Man freundet sich quasi an und hört Geschichten von Töchtern und von Bandscheibenvorfällen, lernt fast so viel wie im Grundstudium über Absperrventile, Flexibilität von Klebern, Lärmschutz am Klo und Montagehöhen nach VDE. Wer gerade da ist, kann man riechen wenn man gegen Feierabend nach Hause kommt, und irgendwie riecht es gut, jedenfalls nachdem der feuchte Neubauduft des frischen Putzes abgezogen ist. Der Fliesenleger nervt zu Beginn mit seinem Radio und seiner Mitsingerei und seiner guten Laune, er ist seit 25 Jahren Fliesenleger im selben Betrieb, und er macht seine Arbeit jeden Tag gern und singt und redet mit sich selbst und mit seinen 30 Eimern, die er auf allen Treppen verteilt, in den Augen ist der Wahnsinn, aber er ist ein feiner Typ unter seiner Strickmütze. Wie er die Glasur mit dem Glasschneider nur anritzt und die Fliese über dem Knie blitzsauber bricht, tack - Kunst! Die Fugen natürlich mit Augenmaß gelegt, nix Keile, und er lobt die Fliesenauswahl. Risiko, wenn man die Fliesen selbst besorgt, aber zum Glück gutgegangen.

Die Fußbodenfugen sind noch offen und nächste Woche kommt noch das Waschbecken und das WC, beides aus einer Gästetoilettenserie, da hat alles Zwergenformat, aber mit allen DIN-Normen vereinbar, so etwas gibt es. Eine Badewanne mit voller Länge zum entspannten Liegen hat die Bauleitung tatsächlich auch noch untergebracht in den sauber gezeichneten Plänen, die der Klempner nur noch bepreisen musste. Den Waschbeckenunterschrank wird das eigene Personal ganz am Ende noch etwas kleiner machen müssen, damit er nicht zu weit vorsteht und alle sich blaue Blutergüsse an den Knien holen.

Das ganze Haus, jedes Buch und jede Tasse, hat nun einen feinen Staubüberzug, auch in den Schränken. Das kommt vom Presslufthammer und vom Fliesenflexen und vom Anpassen von Ytongsteinen mit der Feile und vom Schütten von Zement aus Säcken in Bottiche. Das muss so, jeden Tag. Wer zwischendurch putzt, ist doof, darauf kommt man aber erst mit der Zeit. Gegen trockene Augen gibt es Tropfen in der Apotheke.

Ganz am Ende wird der Maler kommen (auch ein unfassbar korrektes Vater-Sohn-Paar) und die grüne Decke und die grüne Tür samt grüner Zarge in stylischem Weiß streichen. Und dann wird angebadet.

Dienstag, 22. Januar 2013
Gute Besserung
Wasser aus dem Hahn in den Ärmel laufen lassen: wie lange es dauert, bis die unerklärlich unangenehme Empfindung verstanden ist und die Ursache abgestellt.
Mit den Händen in den Schnee fassen: wie viel kälter als in Erinnerung war.
Die Liebe: wie elend sie sterben kann.
Fieber: wie traum.

Montag, 21. Januar 2013
Schon lange nicht mehr so krank gefühlt. Dass ich mich nun für Sachen entschuldige, die ich sonst einfach gern getan habe, das hat wohl keine Nummer. Die Haferflocken streue ich den Amseln hin. Einen Strauß Blumen auf den Tisch gestellt, da kommt das Würgen, in ihrer Nähe. Frisur wie Stroh.

Wohin sind die schönen Wörter? Die Künste? Komme der Sommer.

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Dienstag, 15. Januar 2013
Dream is a keyboard
Im Keller habe ich Duschen entdeckt. Erst kommen Lagerräume, das ist offensichtlich, denn an jeder Tür steht "Lager", dann verändert sich der Fußboden. Kein Beton mehr, sondern Fliesen klein und extra rutschfest, fast klebrig sind sie oder sogar nicht nur fast, und der Geruch nach Bratwurst morgens um halb acht bestätigt, dass es sich um den Küchenkeller handelt. "Kleinkälte" steht an einer Tür, da dann rechts. Mal ziehen, mal drücken, das könnte die jeweils empfehlenswerte Fluchtrichtung anzeigen. Der Bau hat Arme wie eine Krake aus Lego, und Querverbindungen, in jedem Geschoss andere. Wo es sich nach Verlaufen, im Kreis gelaufen und nie mehr nach Hause kommen anfühlt, da geht es noch durch eine Stahltür, dann links, dann durch die Glastür, und da ist der Duschraum. Die Stahltür muss vorsichtig angelehnt werden, denn sie ist eine Einbahntür, man kommt nicht wieder zurück, wenn man sie zufallen lässt.

Es ist warm wie in einem Tropenhaus und der Fußboden trocken. An den Wasserdruck kann man sich anlehnen, bis der Rücken heiß jault. Das Handtuch muss vorher gut versteckt werden, sonst wird es nass um die gemauerte Ecke herum. Wenn man dann auf einer hölzernen Umkleidebank sitzt und sich die Füße mit Shampoo eincremen will und sich zweimal wundert, dass das nicht einzieht, und wenn beim Anblick eines weißlichen Tropfens auf dem Fußboden kurz ein schlüpfriger Gedanke kommt, dann bedeutet das wohl alles nur Überlastung und sonst nichts. In einem Regal ist Platz für die Requisiten gepflegter Sportsfrauen, und ich stelle meine beiden Flaschen dazu. Haarzeug besitze ich ja nicht.

Nachmittags wieder im Keller herumgeschlichen. Ausgestempelt, wohlverstanden. Handtuch auf die Umkleidebank, und auf dem Bauch bei gemütlich gelbem Nebenraumlicht 25 Minuten geschlafen. So geht das. Einstempeln, Binwiederda sagen beim Betreten des Büros, so einfach!

*

Bei mir ist es überall staubig, sage ich. Lass uns am Wochenende wegfahren. Danach höre ich nichts mehr. Der Aufwand ist dann wohl doch zu groß für ein bisschen Sex.

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Zum Schlafen die Kleider einfach ans Fußende legen und sich selbst in den Schlafsack wickeln, von Küchengeräuschen aufwachen. Tanzen mit erhobenen Armen, mit fremdsprachigen Menschen sprechen (Griechin, Italiener, Schwabe), gut und genug essen, nur Wasser und Sekt trinken einen ganzen Tag lang, weit fahren, in der Sonne einen Fluss entlang spazieren in einem falschen Pelz, aber in richtigen Stöckelschuhen, denen, die nur Käse reden, den Rücken kehren, auch wenn sie denselben Namen tragen, ein furchtbares Keyboard spielen bis einer heult, eine steile Stiege aus dem Jahr 1754 hinaufgehen zum Bett unter einer Schräge, zum Frühstück wieder hinunterturnen bis zu einem groben Tisch an einem Kachelofen: ein ganzes Wochenende voller richtiger Sachen. Froh und müde.

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D. C. al Fine

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