Vesper

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Mittwoch, 23. Juli 2008
Faites vos jeux
Geschlossener Zirkel, Allianzen: Man schätzt diesen Jour fixe, und trifft sich in Räumen mit altem Parkett, plaudernd, mit Geist und Seele debattierend, nicht alle hegen Sympathien füreinander, aber man lässt leben. Mediziner und Konsuln im Herzen zumindest sind dabei, autonome, schlanke Frauen mit beweglicher Moral und ebensolchen Hirnen, einer gibt den Narren, der mit seinem Reden und seiner Person Stoff im Überfluss und auch den niederen Instinkten ein Spielfeld bietet, und er tut es gern. Ein bleicher, dunkel gekleideter Mensch ist darunter, ein brillanter Denker, der nicht viel spricht, dem die Herzen der jungen, dezent gewandeten Damen zufliegen (Cousinen allesamt, irgendwie, deren hochgestecktes Haar wiederum anderen Herren Gedanken macht, angenehme), und der sich hier satt isst, einmal im Monat, unauffällig, denn es kommt unaufhörlich Essen aus der Küche auf Tabletts, kristallene Gläser klingen sacht und oft, man dilettiert am Flügel, Kerzen rußen in silbernen Leuchtern. Zwei tauschen einen kurzen Blick, er genügt, um sich zu verständigen unter denen, die sich als ewige Brüder des Bundes der Wenigen erkannt haben im ersten Moment. Man hebt mit sparsamer Bewegung das Glas darauf und bewahrt köstliches Stillschweigen, für immer. Die gerundet dekolletierte Gastgeberin bringt jeden Einzelnen persönlich zur Tür zu später Stunde, und nur einen küsst sie leidenschaftlich auf den Mund zum Abschied, jedes Mal, und er hat nichts dagegen.

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Fünf geschenkte Stunden. Stillhalten, damit sie sich wohlfühlen hier.

Dienstag, 22. Juli 2008
Die Farbe des Tages
Das "back" im Titel ließ ja auf interessante Antworten zu nie gestellten Fragen schließen, aber es ist hier wohl eher reimdoofer Marketinganspruch denn kunsthistorische Relevanz zu vermuten, wenn das schönste umgebaute Gründerzeit-Schwimmbad weit und breit mit dem Slogan "Back to black" zu einer Ausstellung lockt, die - das trifft zu - ganz dem Schwarz gewidmet ist. Nicht umsonst fordern (ungewöhnlich für eine Institution, die von Museumsnewbies eher nicht frequentiert wird) Schilder dazu auf, die Ausstellungsstücke nicht zu berühren, denn wo der Mensch nichts sieht, da will er zufassen. Die Hand zuckt immer wieder hervor, will die Strukturen erfühlen, denn das Hirn mag zunächst nichts sagen zu nur schwarz.

Strukturen also, soweit das Auge nichts sieht und die Hand nichts spüren darf. Oder doch Farbtupfer, denn irgendwoher muss der Inhalt ja kommen. Höhepunkt der ganzen düsteren Versammlung ist eine nur ca. 20 mal 30 Quadratzentimeter große Leinwand, die mit waagrechten Pinselstrichen schwarz bemalt ist: "Landscape with Tree and House" von Rafal Bujnowski. Er hat ja gar nichts an, ist man versucht zu denken - daneben ein Grundig-Fernseher, schwarz natürlich, der die Entstehung des Bildes in einem Video dokumentiert: Scherenschnittartig hebt sich eine Landscape with Tree and House von einem weißen Nachthimmel ab, im Gegenlicht ganz offensichtlich, ein paar waagrechte Wolkenschlieren deuten windigen Himmel an. Von links kommt immer wieder die Hand des Malers ins Bild, und mit kratzendem Borstenstrich lässt er es Nacht werden. Wolken ziehen auf, der schmale helle Streifen über dem Horizont wird immer schmaler, und schließlich: Schwarz. Schwarz wie die Nacht, aber man weiß von Haus und Baum. Großartig.

Florian Süßmayr hat die Frechheit, in die Stapfen des großen Gerhard Richter zu treten, und er macht es gut. Ein anderer malt viermal das gleiche schwarze Bild, grob mit dicken Batzen Öls übersät und gibt ihm viermal einen anderen Namen - fertig ist die Kunscht. (Das sollte man mal auf Bloggisch machen: Zu Mehreren einen abstrakt dahergeschwafelten Text entwerfen in "Ich packe meinen Koffer"-Art und das Ergebnis dann auf drei veröffentlichen, jeder mit einer Überschrift, die seine Genialität so richtig zur Geltung kommen lässt - ohhhhh!). Völlig überschätzt, wie immer: Jonathan Meese. Nunja.

Ein schwarzer Tag, und bekanntlich hilft es ja gelegentlich, mit Gleichem dagegenzuhalten. Auf dass die Farbe wiederkomme.

Back to black, Kestnergesellschaft, Goseriede 11, 30159 Hannover, noch bis zum 10. August.

Samstag, 19. Juli 2008
feucht halb die Laken, leuchtend Feuer jeden Schlaf

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Dienstag, 15. Juli 2008
auf Stelzen

Der Doktor
Er spricht schnell und in Details, aber erst, wenn das Leid zu Ende geklagt ist, das da auf dem Besucherstuhl Platz genommen hat, die tenorale Färbung hört man durch die graublau lackierten Türen der ehemals herrschaftlichen Altbauwohnung hindurch. Von einem Behandlungszimmer zum nächsten eilt er, aber nur zwischen ihnen, denn in den Zimmern hat er Zeit. Geduldig wartet die Gemeinde, Terminverabredungen sind dazu da, die Praxis zu betreten zu einem gewissen Zeitpunkt, und je später der Aufruf kommt, der zunächst nur einen Platz im Flur bedeutet (ein veraltetes Merianheft und ein paar anthroposophisch farblose Kinderbücher gibt es dort), desto besser, weiß man, hat man's heute wieder: er hat Zeit.
Er fordert entschieden auf, zu zeigen und zu sprechen, macht sich geschwind und doch gründlich ein Bild des gesamten Biotops, schaut in die Augen, hört auf das Beben, verschreibt Verschreibungspflichtiges und verordnet Verschreibungsunmögliches, auch nichts. Er tut nur, wovon er etwas versteht, das ist sein lächelndes Credo, wenn er an einen Kollegen überweist ohne Fackeln.

Keine Chance dem Drama und doch alles Recht dem Leiden, mit dem er sich unterhält im Ernst. Getröstet und versorgt tritt der Patient ins Freie.

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Sonntag, 13. Juli 2008
Aufräumen
Das Negativ eines schönen Schwarzweißfotos: Die gleichen Dinge weiß es wie der Abzug, dessen Ahn es ist und den es dennoch überdauert, alles da, alles wahr; gespenstisch blecken schwarze Zähne, obszön und übersteuert alles, nichts zu erkennen von dem, was die Erinnerung behalten hat, auch gegen das helle Licht gehalten nicht.

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Freitag, 11. Juli 2008
zudenken
abdanken
entbrennen

Erster Ferientag
Die Terrassentür stand die ganze Nacht offen.
Die Straße ist gesperrt, aufgerissen; frische Adern liegen bereit, die sandigen Wunden zu füllen.
Vögel fallen sterbend aus den Nestern.
Kannst gehen, Mama.

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Sonntag, 6. Juli 2008
Gerötet das Gefähr, die plausen Lider stull gesunken, geronnen wie vergonnen Mond und Morch.

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