Mittwoch, 1. Februar 2012
Aufwartung machen
Es ist so eine Art Märchen, einen echten Schokoladenfabrikanten kennenzulernen. Einen Industriellen alter Schule, der sein Unternehmen, das er mit persönlichem Einsatz, viel leiblicher Anwesenheit, geschickten Investitionen, zeitgemäßem und zur Branche passendem Marketing und sozialem Fingerspitzengefühl dahin gebracht hat, wo es heute steht, nämlich an der Börse, und stabil notiert, der sein Unternehmen nicht liebt, aber zufrieden ist damit, und mit ein paar anderen auch noch, in Holland zum Beispiel. Er hält natürlich die Mehrheit der Aktien, und er fährt gelegentlich hin, aber nicht mehr so oft wie früher. Ich stelle ihn mir so vor: hinter einem Schreibtisch sitzend, auf dem ein metallener Briefbeschwerer steht (oder was aus Stein, das geht auch), außerdem ein Foto seiner Frau mit den Enkelkindern. Grauhaarig natürlich, noch nicht alt, aber schon ans Alter denkend und das ohne Sorgen. Ein bisschen beringt im Sinne eines klassischen Embonpoint, und beringt auch an einem Finger, nämlich per Ehering. In seinem Arbeitszimmer stehen keine Vitrinen, sondern Aktenschränke, denn er empfindet sich als Arbeiter und nicht als Museumsdirektor seines Erfolgs. Er liest seine Mails nicht selbst, und den Kaffee bringt die Sekretärin in nicht mehr ganz modernem Geschirr (also der Kaffee, nicht die Sekretärin. Lektor! Aufpassen.).
Was zieht man da an? Alles ein bisschen. Jeans, Schühchen, Pulli mit kleinkleinbisschen Tüddelüt über einer weißen Bluse und Kette um den Hals natürlich. Kaum Make-Up. Drüber Gehrock, drüber den Winterschal, der wärmt wie ein Mantel. Mittelgroße edle Tasche. Wir plaudern am Mittwoch ein bisschen, sagte er. Das machen wir, heute Nachmittag.

Sonntag, 29. Januar 2012

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Mittwoch, 25. Januar 2012
vielelicht ist schöner als vielleicht
Was ich sollte, das sagen sie mir alle. Jeder weiß, was ich sollte. Aufpassen, nichts gefallen lassen, nicht zu demütig sein. Dabei würde ich mir gerne etwas gefallen lassen. Gefallen lassen! Denkt mal drüber nach. Demütig sein. Warum nicht? Wer es ausprobiert hat, weiß, wie schön es ist. Aufpassen. Sowieso. "Geben Sie Ihre Fähigkeiten an": ich werde "aufpassen" schreiben. Und "Augen" und "Hände". Nicht aber: "teamfähig". Fähig, mit jemandem zusammenzuarbeiten, ja. Teamfähig, nein. Wenn ich das schön höre, "Team"!

Ich möchte dich anfassen.

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Sonntag, 22. Januar 2012
Tage von Zorn
Laut Klavier gespielt, Buckel gemacht wie Glenn Gould, man muss da so reinhexen, gestöhnt wie Bernstein (stimmt nicht!), die Hände voller D-Dur zum Schluss, das wummst gut, immer schön drauf aufs Pedal, und nicht nach links vom Hocker fallen. Danach aus der Brust "Bravo" gerufen, wie es immer in Konzerten ist nach dem Schlussakkord. Dann hat es an der Tür geklingelt, der Nachbar stand draußen, ob alles mit mir in Ordnung sei. Ich hab mich sogar verbeugt, hätte ich beinahe gesagt, aber ich brauche die Leute in der Nachbarschaft ja noch. Danach ist er in seinen Keller verschwunden, üben. Hihi. Seit Wochen macht er an einem Mozart rum.

Demnächst, ich sagte es schon an anderer Stelle, wieder Plustern und Gockeln wie ein Truthahn, den sie ja doch alle nur aufessen wollen. Aber ich spiele da nicht mit, schließlich ist Karlsson der beste Freund der Welt. Oder gleich richtig hühnern, mit Pink und Glitzer und Tusche und Musche. Weiß noch nicht. Wenn es eine Frau ist, lieber nicht. Wenn es ein Dr. habil. ist, auch nicht.

Die Stoffproben sind angekommen. So schön alle, dass die Wahl schwer fällt. Bestickte Seide, Duchesse, Mousselin, Tülle, Tafte. Frou-frou für die stillen Stunden.

Und so selbst versiegelt. Nur noch einmal sich wenden. In Ecken wohnen, unter Daunen, unterm Licht. Halbe Sonnen nicht mehr grüßen, sich rüsten hinter der Tür, die niemals richtig schließt. Die Formen der Sträuße sammeln, die Düfte der Burschen.

Mittwoch, 18. Januar 2012
carmen parvum
Ich liege wach
Und denke nach
Und denk an dich
Vergisst du mich?

Du bist nicht da
Und bist nicht nah
Und bist nicht fern
Ich hab dich gern

Ich denk an dich
Und sehne mich
Liebst du mich noch?
Dann schlaf ich doch

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Traufe ist ein viel zu schönes Wort
Die Seltenheit des Ereignisses fordert geradezu dazu auf, dem Absurden einen Gewinn abzutrotzen, der sich nicht recht als solcher fühlen lässt. Gegeben wird im Volkstheater: Der Verlust des Jobs in Zeitlupe. Konjunktive, abgestürzte Mundwinkel, Vermeidungsgesten, verkleidete Vorwürfe, nackte Kosten-Nutzen-Rechnungen. "Leute wie Sie", das verheißt nichts Gutes. "Im Grunde." "Haben sich die Erwartungen nicht erfüllt." "Lässt sich nicht wie geplant darstellen." "Würde ich sehr gerne, aber." "Legt zeitnah eine spürbare Veränderung der Zusammenarbeit nahe." "War nicht abzusehen, dass." "Haben sich die Prioritäten verschoben."
Ja, ich bin klug genug, da haben Sie recht, Herr Chef. Nicht jeden Tag, aber das macht ja nichts.

[Non]
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