virtus

... später
Mittwoch, 15. September 2010
Übung IV
Sommer 2005
Es ist dir sicher nicht entgangen, daß ich mich
- ein wenig oder sehr? - in dich verliebt hab'.
Vielleicht erklärt sich's so: du bist wie du
nur bist, klug, ernst und schön, charmant im Wortsinn,

die seltene Erscheinung, die zu finden ich
für unwahrscheinlich hielt, in meiner Nähe
jedoch für ganz unmöglich, und nun ist
die Ruh' ganz hin, mein Herz beschwert sich mehr und mehr.

Wenngleich ich solcher Art Gefühle lang vermißt,
weiß ich doch nicht, ob ich mich drüber freuen soll
noch ob ich's darf. Darum erinn're ich daran,

daß niemandem die Ewigkeit gegeben ist,
sich seine Träume zu erfüllen. Meinen Mut
und meine Träume leg' ich so in deine Hand

Montag, 6. September 2010
Der besondere Nähunfall
Ein kleines Stück heller Schneiderkreide für einen halben Cashewkern halten.

... anzeigen (0 Kommentare)   ... kommentieren
Dienstag, 22. Juni 2010
"ein edekagroßer Bücherflughafen"

Montag, 24. Mai 2010
Vom Teilen und Geben
Mit ihrem "dann und nur dann" hat die Mathematik sehr viel Sicherheit gegeben, und das sehr früh. Klarer kann ein Umstand und seine Bedingungen nicht beschrieben werden, nichts schwimmt mehr um seine Existenz, um den Umstand als Punkt. Auch kam das "gegeben sei". "Gegeben sei", ein Zauberwort! Alles konnte man erdenken, alles konnte man "geben", Regentonnen, Rechtecke, Mengen, Großes und Kleines, und es war ein Leichtes, aus dem, was man mit "gegeben sei" in die Welt holte, etwas anderes hervorzuzaubern, einfach so mit schnipp, es wohnte ihm von ganz alleine inne, zum Beispiel für wie viele Erdbeerpflanzen der Regen reichen würde oder wie lange es dauern würde, für einen Zaun um das Recheck herum zu sparen. Muster der Veränderung wurden offenbar, ebenso Gründe für lange gefühlte Verwandtschaften zwischen den Zahlen und einfache Mittel für ihre Explosion oder Implosion. Das Komma, was für ein Werkzeug, was für eine Waffe, wie rettungslos der, der damit nicht umgehen kann. Der Bruchstrich, was für ein sagenhaft einfaches Zeichen mit märchenhaften Fähigkeiten. Sagen zu können, wie viele Fenster ein Hochhaus hat, obwohl man nur einige gezählt hat, beliebige Genauigkeit und sogar Aussagen über Tendenzen und Größen in der Nähe der Unendlichkeit - so etwas erlaubt die Mathematik und ist dabei sehr treu, hat man sie erst einmal angelockt und domestiziert.

Jedoch: Sie kann zwar über Schönheit aussagen, aber sie kann sie nicht herstellen. Sie ist geschwätzig, unnötiges Zeug gibt sie unaufgefordert an, denn alles klebt zusammen, alles hat ein "weil" und ein "daraus folgt", nichts ist einfach wie es ist. Sie weiß sehr viel, aber sie kann nichts (anders als die Musik, zum Beispiel). Sie kann nichts. Sie kann nichts ändern und sie kann nichts Originäres. Sie kann ihre Pfade nicht verlassen. Sie spricht nur über die Dinge, nicht aber zu den Dingen und nicht einmal zu denjenigen, die sie mögen. Deshalb ist es wohl gut, sich ihr nicht restlos in die Arme geworfen zu haben.

Sonntag, 7. März 2010
Lux aeterna
Ich komme als erste rein. Außer ein paar Messeleuten, die stumm und mit Interesse sich wirklich wie Gäste umsehen, ist keiner da, und nach ein paar Minuten stillsitzen und auf die lila Antependien an Altar und Lesepult schauen (zweierlei Lila, warum eigentlich, wascht ihr die verschieden oft und warum das dann wieder), ein paar guten Minuten ohne Sinn und ohne Verstand, kommt der Aufnahmemensch mit seinem Köfferchen und seine Umarmung ist wie immer dünn und fest zugleich. Und dann kommen sie und rascheln mit ihren Kleidersäcken und mit ihrem Samstagsleben, das hier zusammenkommt und bald, in drei Stunden, Musik werden wird. Das Frieren geht schon beim Stellen los, noch sind die Sohlen dick, die Mützen wollen und die Finger voll Gefühl. Später werden auch die in den kurzen Sitzpausen umgehängten Mäntel und die dicke Strumpfhose in den dünnen Schühchen nichts mehr nutzen, da kann der Organist einheizen in seine Subbässe wie er will, das Schnattern ist unter uns. Dass Erfrieren etwas mit Delirium zu tun hat, das merkt man, wenn man sich plötzlich fünf Takte weiter wiederfindet und man weiß nicht wie man da hingekommen ist, und wer hat umgeblättert? Es müssen die toten Finger gewesen sein. Ein Blick in das Gesicht des Kritikers und die Kritik am Montag wird eine gute sein, so sicher wie das vierfache Alt-Ais im Ligeti richtig war, einfach aus der Luft gegriffen, da könnt ihr Tenöre vorher rumeiern wie ihr wollt. Hinterher machen sie 12 Flaschen Secco leer und futtern speckgewickelte Datteln und Kartoffelchips wie verhungert. Chor ist, wenn einer abspült (ich) und drei abtrocknen (1 Tenor, 1 Bass, 1 Dirigent), und da kommen dann auch die Finger wieder. Beim Abschließen drehe ich mich noch einmal um. Alles schön. Wie viel in dieser Kirche schon gesungen, getrunken und geküsst wurde, das weiß nur der Herr, denn der wohnt hier.

... anzeigen (0 Kommentare)   ... kommentieren
Donnerstag, 14. Januar 2010
50 g warme Füße bitte


Ich mach heute einen auf Strickblog. Bitte verzeihen Sie mir.

Eigenkonstruktion unter Verwendung eines bekannten Musters.

Sonntag, 29. November 2009
Pärchen
Mutter und Tochter: die eine kann immer noch so sehr schön singen, die andere kann es schon. Optisch wie Schwestern.

Zwei Violinen: nie werde ich verstehen, wie zwei Violinen wie eine klingen können in Intonation, Phrasierung, Klangfarbe, Agogik. Nie werde ich verstehen, wie schon nur eine Violine wie eine einzelne Violine klingen kann. Teufelszeug, das Violinenhandwerk.

Zwei Trompeten: Mann und Frau, beide Virtuosen, da wird mit den Lippen getrillert und der Ton ist weich wie eine reife Tomate. Sie löst ihn taktweise ab bei den großen Soli, damit er das Instrument ausleeren kann, und man hört keinen Unterschied. Dass er während des ganzen Konzerts und zum Applaus mit einem hochgeschlagenen Kragen am Frack dasteht, das verhindert sie allerdings nicht. Frauen! Trompete spielen ist wichtig, aber für die depperten Männer sorgen ist noch wichtiger.

Zwei Oboen: blass und brav. Geht mal zum Friseur, beide.

Der junge Bass: 19 Jahre alt, und haut das Why do the nations weg als ob er mal eben ne Runde für alle bestellt. Der Körper noch gymnasiastisch, aber schon Lackschuhe zum Frack wie ein Alter, und eine Stimme wie ein Löw'. Stolz waren wir auf dich, unser Jüngster, und stolz darauf, dass du einer von uns bist. Sonderpreis, von mir persönlich für dich, Großer, und für deine Stimme.

... anzeigen (0 Kommentare)   ... kommentieren
Freitag, 13. November 2009
Hallelujah!
Dieses Gefühl immer, bei "King of Kings" in der Fankurve zu stehen, zu vielen, auf Treppen, alle mit nur einem Gedanken, Schal um den Hals, ein Mann zu sein unter Männern für einen Moment, und dann die Bruststimme ausgepackt und gehirscht, was geht. Tja, Sopräne, das ist schon schade, dass ihr an der Stelle nicht aufgestellt seid, aber eure langen, hochgejazzten "Kings" und "Lords", die sind auch große Sirene, und ich möchte das nicht singen müssen.

... anzeigen (0 Kommentare)   ... kommentieren
Freitag, 6. November 2009
Mein Kleid
Mein Kleid ist aus Samt und Seide und Wolle. Der Ausschnitt streng viereckig lässt Platz für kleinen Schmuck (immer die Silberdrahtlötkette aus Nordalbanien; ihr gebührt eine eigene Erzählung eines Tages), die samtenen schmalen Ärmel wärmen bis hinunter zu den Handgelenken. Exakt zulaufende Brustabnäher formen das enge warme Oberteil, das so schwarz ist, wie nur strichaufwärts gedrehter Samt schwarz sein kann: schwarz wie das kleine Ges einer schwarzen Altistin mit schwarzer Seele und schwarzer Katze. Eng an den Rippen entlang läuft das Schwarz hinab, knapp unter der Brust beginnt der schmale Rock mit vier aus der Taille herauslaufenden Abnähern, akkurat auf Hüften und Po zeigend. Vorne lassen drei locker gelegte Falten im offenen breiten Übertritt die kühle Wollseide fließen über Bauch und Beine, beweglich und weich fallend dank schrägem Fadenlauf. Silbrig geglättet spiegelt sich das Rampenlicht hinunter bis zu den eng umfangenen Knöcheln, doch ein Schritt genügt und der Rock gibt das Bein frei samt dem hohen Schuh, zum Erklimmen der Stufen und für einen Abgang unter Applaus.

Es ist für mich gemacht, von mir für mich, und beim Öffnen des Reißverschlusses erkennt man das Label: hora sexta me fecit.
Stolz und Haltung sind seine Namen.

... anzeigen (0 Kommentare)   ... kommentieren
Samstag, 29. August 2009
Alles schläft, einsam
Stille Nacht ist ein schweres Lied, nicht nur wenn es hell ist und das Bänkchen um die Linde zum Sitzen, Kalauern, Trösten und Schnabulieren einlädt, Sonne in den Gesichtern, Kirchlein, Feld und Fluss in der Nähe. Fünfzigmal und öfter der Genuss dieses tiefblauen Augenblicks, wenn das Mikro offen ist und eine tiefe, deckende Stille eintritt, ein Moment, in dem die Zeit sich senkt und ein Spalt sich auftut, in dem ein ganzes Leben sich zu Ende denken lässt.
Dann einatmen und doch weiterleben.

... anzeigen (0 Kommentare)   ... kommentieren
... früher